Tagebuch




Avenue of the Giants

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Gabi im Humbold Redwoods SP, Avenue of the Giants, Founders Grove Nature Loop, CA

Bäume, Bäume, Bäume - mehr habe ich nie auf einem Haufen gesehen in einem Urlaub. Und heute gab es nochmal eine Überdosis.

Los ging es mit einem eher durchschnittlichen Frühstück - gemessen am Anspruch der Best-Western-Kette. Dafür habe ich meine beiden Frühstücks-Burger mit Ei und Käse draussen am Pool genießen können. Um 10:00 Uhr öffnet das Visitor-Center, wir sind vor Ort. Die junge Dame kann aber nicht besonders helfen außer mit ein paar Flyern. Die Frage nach evtl. Straßensperrungen morgen auf dem Weg nach Redding muss ich mir per Internet selbst beantworten. Das sieht aber wohl gut aus.

30 Minuten und eine zackige Fahrt auf dem Hwy #101 mit 65 mph (rd. 110 km/h) in südliche Richtung später tauchen wir ein in die Welt der Redwoods. Die „Avenue of the Giants“ ist eine Parallelstraße zur #101, allerdings als „Scenic Byway“ mitten durch diverse Stateparks, die dem Redwoods NP angeschlossen sind. Das ist wie gestern, nur jetzt auf befestigter Straße, die sich durch die zauberhafte Waldlandschaft windet.

Wir nehmen die erste mögliche Abfahrt von der #101 und landen in der Pepperwood-Region des Humbold Redwoods SP. Hier sind wir noch weit außerhalb des „Herzens“ der Parks und daher fast ganz alleine um diese Uhrzeit. Der erste mögliche Trail ist der Drury Chaney Loop Trail. 5,6 km wandern wir durch die herrliche Baumwelt. Gabi klettert sofort auf einen der umgestürzten Riesen - schaut euch mal die Größenverhältnisse an. Das ist mit Bildern nicht wiederzugeben, aber vielleicht bekommt ihr einen Eindruck. Klee und Farne gibt es hier auch im Überfluss und letztere eignen sich sogar als Haarersatz.

Hier in dieser Gegend wurde in den 70ern der Star-Wars-Film „Return of the Jedi“ gedreht. Vor meinem geistigen Auge sehe ich Leia und Luke auf ihren intergalaktischen Hexenbesen im Slalom durch die Redwoods düsen. Und auch die Ewoks müssen hier irgendwo ihr Quartier haben. Surreale Welt - atemberaubend.

Manche Bäume hat es schwer getroffen. Blitzschlag oder Feuer haben sie geteilt oder zum Teil völlig ausgehöhlt. Dennoch überleben diese gigantischen Lebewesen das und halten sich weiter tapfer. Andere sind gefallen und bieten neuem Leben eine Plattform. Der Blick nach oben: schwindelerregend.

Fotografieren ist hier nicht einfach. Es ist meist sehr düster und die Kontraste sind heftig. Da lobe ich mir den hohen Dynamikumfang meiner D750, die auch noch bei hohen ISO-Werten tolle Fotos macht. Voraussetzung ist, dass ich im RAW-Modus fotografiere, also digitale Negative erstelle, die später bearbeitet werden müssen. So kann man die Lichter dämpfen und die Schatten aufhellen, was ein ausgewogenes Bild ergibt. Ich muss allerdings zugeben, dass Gabi mit ihrer (fast) neuesten Generation des iPhone ebenso tolle Aufnahmen schießt. Bald wird es so sein: für außergewöhnliche Events (Hochzeiten, hochwertige Portraits o.ä.) wird man noch Systemkameras und teures Glas (Objektive) nutzen. Reise und Alltag werden die iPhones und Smartphone-Kollegen übernehmen - das wäre vor eingen Jahren noch undenkbar gewesen.

Nach einem Kurzbesuch im Visitor Center haben wir zwei Geheimtipps im Gepäck: zunächst den „Founders Grove Nature Loop Trail“ mit dem Founders Tree. Bei dem haben sie mal die Maße angegeben - andere sind aber ähnlich oder sogar noch größer. Immerhin handelt es sich hier um die höchsten Bäume der Welt. Im Sequoia NP weiter südlich in der Sierra Nevada sind noch breitere Vertreter dieser Art zu finden. Gemessen an der Höhe sind die Redwoods der Pazifikküste aber Spitzenreiter. Ich übersetze mal die Werte des Founders Tree: Höhe gut 105 Meter, Durchmesser fast 4 Meter, Umfang gut 12 Meter, erste Äste ab 58 Metern.

Am Visitor Center gab es ein interessantes Display: wenn wir die 250 Millionen Jahre des Bestehens der Redwoods auf eine Stunde beschränken, dann haben sie die ersten 25 Minuten gemeinsam mit den Dinosauriern verbracht. Die größte Verbreitung über die ganze Welt hatten sie von Minute 25 bis 53. Gemeinsam mit uns Menschen verbringen sie dann die letzte Minute dieser Stunde. Wie wird diese Reise weitergehen?

Wir haben noch ein weiteres Ziel: den Big Trees Loop Trail. Diesen erreichen wir wieder über eine sehr schmale Seitenstraße. Wie gestern: einspurig und wenn einer entgegen kommt, dann muss einer von beiden ganz rechts ran. Lustig, wenn in einer solchen Situation ein Schild auftaucht „Road narrows“ - es wird enger.

Gabi möchte auf der Rückfahrt gerne noch einen Abstecher nach Ferndale machen, auch der viktorianischen Häuser wegen. Machen wir - und es war sehr schön! Oder wie sagte Gabi anschließend? „Das war doch niedlich!“ Ich treffe auch auf zwei Kollegen der Freiwilligen Feuerwehr Ferndale. Ich erzähle, dass wir im Kreis Kleve in 16 Städten und Gemeinden ausschließlich Freiwillige Feuerwehren haben und dort über 2.600 Kameradinnen und Kameraden engagiert sind. Wir sind schnell auf einer Wellenlänge.

Zurück in Eureka. Der Name geht übrigens auf den gleichen Wortstamm zurück wie „Heureka“. Das ist ein Wort, dass ich im Leben nur als Kind von Daniel Düsentrieb gehört habe.

Wir gehen nochmal in die „Lost Coast Brewery“. Preis-Leistung sind dort einfach klasse. Gestern die Nachos waren die „kleine Portion“ - der „Big Dave’s Burger“ heute war eine Große! Gut, dass ich anstelle der Fries Krautsalat bestellt habe.

Morgen verlassen wir die Küste wieder und kehren zurück auf die Vulkankette. Ach ja: heute morgen in „Pepperwood“ hatte ich einen Cell Broadcast-Alarm auf dem iPhone: Erdbeben-Warnung! Es hat aber nix gewackelt. Nochmal kurz dienstlich: was bin ich froh, wenn der Bund es bis Dezember hinbekommt, das endlich auch in Deutschland einzuführen. Warnung der Bevölkerung muss einfacher werden und das geht mit Cell Broadcast definitiv. Sage ich seit Jahren und hier in Amerika haben wir schon 2015 Tsunami-Warnungen auf diesem Weg bekommen. Jetzt aber weiter Urlaub!!


Tagesetappe: 137 Kilometer
Übernachtung: Best Western Plus Humbold Bay Inn***, 232 West 5th Street, Eureka, CA 95501

Vorfreude!

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Gabi am Museum of Modern Pop Culture (MoPop), Seattle Center, WA

Vorfreude! Das erste Wort meines Reisetagebuchs 2022. Schön, oder? Finde ich auch! Und jetzt, hier im Staycity Hotel am Airport Frankfurt am Main, schon einige Kilometer weg von zu Hause, empfinde ich tatsächlich diese Spannung, gepaart mit unbändiger Lust auf Urlaub und eine unbeschwerte, sorgenfreie und richtig „private“ Zeit.

„Unbeschwert“? „Sorgenfrei“? „Privat?“ - das waren Fremdwörter in den vergangenen Monaten diesen Jahres und wenn ich ehrlich bin: sogar der vergangenen 2,5 Jahre. Seit uns diese Pandemie in Beschlag nahm, man keinem noch so vertrauten Menschen mehr ohne Maske und Sorge nahe kommen kann, hat sich so vieles verändert. Für mich und uns war das vor allem verbunden mit noch mehr Arbeit. Erfüllender, sicherlich auch wichtiger und anerkannter Arbeit - aber Raum für Privates war da nicht mehr. Wegen Corona ging ohnehin alles auf Distanz und wenn du dann noch über lange Zeit meist 7 Tage die Woche und auch nachts noch in Gedanken „aufe Aabeit bis“, dann ist irgendwann Schluss mit lustig. Und dann überfallen die Russen die Ukraine und das nächste Sorgenpaket wird geschnürt. Geht’s eigentlich noch? Waren wir nicht alle stolz und glücklich über mehr als 70 Jahre Frieden in Europa? Hat das aktuell alles einen Sinn? Nein! Und mit dem Überfall auf die Ukraine und all seinen Nebenschauplätzen spuken jetzt Worte wie „Gasmangellage“, „Blackout“ u.ä. durch die Medien. Da ist sie: die nächste Baustelle. Gestern habe ich noch mit einem lieben Kollegen im Kreisausschuss Kleve darüber berichtet, was wir alles tun aktuell, um uns zu rüsten auf diese besorgniserregenden Szenarien. Und eben im Zug las ich bereits den ausführlichen Artikel dazu auf RP-Online.

Heute, am Freitag haben wir beide noch gearbeitet. Und ich muss sagen, dass es für mich ein wie immer sehr ausgefüllter, aber auch sehr schöner letzter Arbeitstag war. Termine hatte ich mir keine mehr reingeholt für heute. Satt dessen haben ich Schreibtisch und Mailpostfach geräumt und einige Stunden damit verbracht, das Thema „Energiemangellage“ mit lieben Kolleginnen und Kollegen dezidiert durchzusprechen, offene Fragen zu beantworten, Weichen zu stellen und im Team zu überlegen, wer was in den kommenden drei Wochen macht, um uns in dem Thema weiter voran zu bringen. Und selten war ich so stolz darauf, wie engagiert, durchdacht und planvoll alle mitdenken. Ich habe da wirklich ein super Team um mich in der Verwaltung. Die Kolleginnen hatten das Meeting so gut vorbereitet, dass wir in drei Stunden extrem viel geschafft haben. Und im Ergebnis konnte ich - auch wenn es inhaltlich schwer fällt - um 14:15 Uhr in dem 150% sicheren Gefühl ausstempeln: „das läuft super konzentriert auch ohne mich - schön, wenn ich in drei Wochen wieder einsteigen kann!“

Nun blicken wir gemeinsam, nach vorn: ich bin fest gewillt, drei absolut sorgenfreie, unbeschwerte und private Wochen zu verbringen. Die beiden letzten Absätze mussten sein, um den Urlaub einzuordnen in diese Welt 2022, die aus den Fugen geraten scheint. Doch jetzt zählt erst mal: Vorfreude!

In den verbleibenden 60 Minuten heute Mittag zu Hause haben wir ruckzuck die letzten Handgriffe getan und uns abreisefertig gemacht. Birgit bringt uns zum Duisburger Hauptbahnhof und nach Monaten der Trockenheit - ohne einen Tropfen Regen - schüttet es aus Kübeln. Der ICE fährt mit Verspätung ab und liegt in Köln über 30 Minuten hinten. Dann beschleunigt er aber auf 300 km/h und katapultiert uns an den Airport Frankfurt. Drei Rolltreppen später sind wir unsere Koffer los - Vorabend-Check-in. Die Bordkarten habe ich heute Mittag schon online erhalten.

Die 25 Minuten Fußweg zum Hotel tun gut, das Zimmer ist super - sehr geräumig und komplett mit Küchenzeile. Nebenan ist ein Italiener, aber da ist es so proppevoll, dass die Leute draussen Schlange stehen. Wir stellen uns erst an, entscheiden dann aber, lieber eine „einfache“ Pizza im Hotel zu essen. Gute Idee! Die Pizza ist super und wir sitzen völlig ruhig und ungestört.

Für morgen früh ist das Taxi bestellt. Wegen der Lufthansa-Streiks in den vergangenen beiden Wochen empfiehlt der freundliche Rezeptionist, rechtzeitig am Airport zu sein: gute Chance auf lange Schlangen an der Sicherheitskontrolle. Da gehen wir - wie auch sonst im Leben - auf Nummer sicher. Um 06:15 Uhr gibt’s den wake-up-call, für 07:00 Uhr ist ein Taxi bestellt. 10:00 Uhr soll Boarding sein, um 10:45 Uhr heißt es dann: Abflug mit der Lufthansa.

Gute Nacht - weiter geht es morgen aus Seattle. Unser größter Wunsch ist es, die lange Flugzeit mit FFP-2-Maske ohne Infektion zu überstehen. Auch diesbezüglich haben wir alles gegeben: 4 Impfungen und größte Vorsicht in den vergangenen Wochen. See you in Seattle - schlaflos?

Das ging ratzfatz heute morgen. Im Hotel lief alles wie am Schnürchen und selbst das Taxi war 15 Minuten vor der Zeit schon am Start. Da wir sehr früh am Airport waren, gab es auch kaum Wartezeiten an den Sicherheitskontrollen. Wir erwischten sogar eine Mannschaft, die gerade Schichtbeginn hatte und uns als erste Gäste begrüßte. Super gelaunt, völlig unproblematisch - es fehlte nur noch die La-Ola-Welle, so haben wir uns gegenseitig gefeiert. Das war super schön. Am Airport hatten wir dann ein kleines Frühstück und ab ging’s zum Boarding.

Da hatten wir zwei Plätze am Fenster gebucht (2 - 4 - 2 - Bestuhlung) und beim Einsteigen stellen wir fest, dass die Bordkarten plötzlich zwei Plätze in der Mitte ausweisen. Das war blöd, zumal sich diverse Zeitgenossen, u.a. unser Nebenmann nicht um Corona-Regeln scheren und keine Maskte tragen. Unangenehm! Der Flug vergeht aber einigermaßen erträglich und Tom Cruise rettet gleich in zwei Teilen von „Top Gun“ die amerikanische Seelenbefindlichkeit. Wir landen pünktlich in Seattle - zu Haue ist es nun 21:20, in Seattle zwanzig nach eins nachmittags. Unsere Koffer bekommen wir dann auch und das Einwandern hat auch schon länger gedauert. Superfix klappt es dann mit dem Mietwagen - ich hatte ja von zu Hause aus schon alles ausgefüllt. Die Dame am Counter springt auf meine Lobeshymnen bzgl. Alamo an und spendiert uns ein Upgrade auf einen Standard SUV. So ergattern wir einen Nissan Roughe mit allen Extras inkl. Apple Car Play- sehr praktisch!

Gegen 15:00 Uhr sind wir im Hotel, das direkt gegenüber der Space Needle liegt. Ich springe kurz rein um einzuchecken und bekomme die Zimmerkarten. Und dann bekomme ich noch welche und die Rezeptionistin schickt sich an, noch ein drittes Paar vorzubereiten. Auf meine vorsichtige Frage, was ich denn mit drei Zimmern machen soll antwortet sie, dass auf mich doch drei Zimmer reserviert seien. Nö, verstehe ich nicht. Habe das Hotel als einziges über das Reisebüro gebucht aber die wissen auch, dass wir nur ein Zimmer benötigen. Nach kurzem hin und her wird mir versichert, dass nun alles seine Richtigkeit habe und die Abbuchungen für die zwei überschüssigen Zimmer erstattet werden.

Wir packen kurz aus und starten noch auf einen Tripp nach draussen. Puh - ganz schön warm hier und sonnig. 26 Grad im Schatten. Wir drehen eine große Runde um die Space Needle. Der internationale Springbrunnen ist cool mit all den Kids, die hier toben und der Musik im Hintergrund. Besonders „heiß“ ist das Museum of Pop Culture (MoPop) mit seinen bunten Fassaden. Die violette Außenhaut soll an Jimmy Hendrix’ Song „Purple Haze“ von 1967 erinnern.

Wir gehen noch durch den Skulpturenpark runter ans Wasser und trinken dort einheimisches Bier und Cider. Dazu gibt es einen Burger. Alles gut - wir sind angekommen.

Nun ist es 20:00 Uhr und wir schreiben an der Bar diese Zeilen. Zu Hause ist es jetzt 05:00 Uhr morgens - da haben wir die Uhr rund, wenn wir gleich im Bett liegen. Es reicht jetzt auch. Morgen genießen wir einen vollen Tag in Seattle.

Euch allen wünschen wir wieder ganz viel Spaß mit unserer Website; unsere Gedanken sind bei den Lieben zu Hause!

Tagesetappe: 8.180 Kilometer geflogen, 26 Kilometer gefahren
Übernachtung: Hyatt House Downtown***, 201 Fifth Avenue North, Seattle, WA 98109

© 2022 Gabi & Jürgen