Tagebuch




Portland Brewery

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Gabi auf der Burnside Bridge, Portland, OR

Der heutige Tag ist schnell erzählt - Lazy Friday!!

Nach dem Frühstück brechen wir zügig auf und steuern dem Mount St. Helens National Monument entgegen. Es ist wieder sehr bedeckt und in Portland wären wir bereits in 2,5 Stunden. Auch heute begegnen uns wieder viele Trucks mit Baumstämmen. Es gibt aber ebenso viele, die „leer“ unterwegs sind. Und die haben ihr „Hinterteil“ einfach Huckepack geladen. Will sagen: Die Log-Trucks bestehen aus einer Zugmaschine mit Auflieger. Das Ende der Baumstämme liegt auf einem Gestell mit je zwei Zwillingsreifen. Und dieses Gestell ist variabel montierbar und wird bei Nichtbenutzung einfach auf den Auflieger geladen.

Von der Interstate 5 gibt es einen „Abstecher“ zum Mount St. Helens. Die Stichstraße umfasst schlappe 50 Meilen bis zum Johnston Ridge Observatory, dem Endpunkt direkt amVulkan.

Wir fahren wieder durch Wolken, die Sicht auf die Umgebung bleibt verwehrt - wie gestern. Zeitweise tröpfelt es und es ist unklar, ob das Regen oder einfach der Niederschlag der Wolken auf der Windschutzscheibe ist.

Es ist aber auch eine emotionale Fahrt. 2018 haben wir das alles glasklar vor uns gesehen und auch heute ist die Verwüstung vom 18. Mai 1980 noch überall spürbar. Am Straßenrand ist gekennzeichnet, von wann die Aufforstungen sind und auch wenn diese nun 40 Jahre zurück liegen und die Bäume schon wieder ganz schön groß sind, so ist es uns, als sei der Berg gestern erst kollabiert.

Oben angekommen ist bis auf die Talsohle nichts zu sehen, der Berg versteckt sich wie gestern der Mount Rainier. Wir verbringen einige Zeit im Observatory, unterhalten uns mit einem Ranger und schauen die Ausstellung an. An einem Modell lassen sich die verschiedenen Phasen des Ausbruchs nachempfinden. Höhepunkt ist der absolut sehenswerte Film im „Theater“. Dort wird mit Originalaufnahmen und Simulationen, untermalt mit dem richtigen Sound das ganze Ausmaß der Naturgewalt deutlich. Das haben die Amis ja auch wirklich drauf: die Ausstellungen etc. in den Besucherzentren der Nationalparks u.ä. sind Gold wert. Höhepunkt der Aufführung ist am Ende das Hochfahren des Vorhangs inkl. Leinwand. Es erscheint ein riesiges Panoramafenster über die gesamte Breite des Theaters - die gibt den Blick frei auf den Vulkan, wenn er denn zu sehen wäre. Heute sehen wir eine weiße Wand aber 2018 war der Effekt beeindruckend. Und das Wetter ins Positive zu ändern, haben selbst die Amins nicht drauf - Gott sei Dank!

Wer mag, kann ja mal zu den Fotos von 2018 wechseln, da gibt es mehr zu sehen -
einfach klicken …

Gegen 14:00 Uhr sind wir dann in Portland, das Motel ist schnell gefunden. Da noch einiges vom Tage übrig ist beschließen wir, einen Ausflug in die Downtown zu machen. Dort ist Leben und dort gibt es diverse Microbreweries. Die Dame an der Rezeption beschreibt verschiedene Möglichkeiten , mit Bussen o.ä. dorthin zu kommen und ist ganz entgeistert, als wir sagen, dass wir laufen werden. Tun wir dann auch.

Immer gerade aus, über die Burnside Bridge hinüber und schon sind wir da. Tja, gerade im Bereich der Brücke sind wieder sehr viele Obdachlose. Ich habe mal vorsichtig ein paar Zelte fotografiert. Viel schlimmer haben es aber die zahlreichen Menschen, die auf dem nackten Boden liegen. Keiner pöbelt, wir fühlen uns als Paar überhaupt nicht unsicher - die Leute können einem einfach nur leid tun. Einer liegt auf dem Bauch, hat einen Gullideckel hochgenommen und sucht nach Verwertbarem. Die meisten sind überhaupt nicht in der Lage, gefährlich oder bedrohlich zu wirken, so stoned sind sie.

Wir schlendern durch die Straßen und statten wieder Powell’s Book Store einen Besuch ab - ein riesiger Bücherladen über zig Etagen. Es ist wohl der größte der Welt.

Am Ende kehren wir ein: zunächst bei der „Van Ebert Brewery“. Hier wird online bestellt und abgerechnet. Das Bier ist prima, zudem können wir direkt auf die Brauamarturen blicken. Einige Häuser weiter finden wir die „Backwoods Brewery“. Hier kommen wir an der Theke gleich ins Gespräch mit einem Paar unseren Alters aus Florida. Wir quatschen uns fest, die Zeit vergeht wie im Fluge. Die beiden beginnen, ihr Heimatland zu entdecken und sind extrem dankbar für Tipps und Hinweise zu Reisezielen im Wilden Westen.

Als wir nach dem Essen (erstklassige Burger) rauskommen, ist es fast dunkel. Schnell den Rückweg bewältigt und an den Mac gesetzt. Gabi ist gleich ohnmächtig ins Bett gesunken. Jetzt bin ich fertig und müde. Mal sehen, ob das WLAN reicht. Heute Mittag war es unterirdisch, jetzt ist es etwas besser. Schauen wir mal - gute Nacht!

Tagesetappe: 383 Kilometer
Übernachtung: Eastside Lodge***, 949 East Burnside Street, Portland, OR 97214

High Skyline Trail

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Jürgen am Reflection Lake, Mount Rainier NP, WA

Upload hat geklappt, hat zwar bis in die Nacht gedauert, war aber stabil. Sehr schön! Die Nächte sind echt erholsam. Heute morgen schieben wir aber nichts auf die lange Bank, denn die Wetterprognose ist zumindest für den Nachmittag unsicher - leichter Regen ist möglich.

Um halb acht klopft es an die Zimmertür: draussen steht unser Frühstückskorb bereit; Kaffee hat Gabi schon gekocht. Das ist wie bei Rotkäppchen hier - aus Corona-Schutzgründen stellen sie das Frühstückskörbchen einfach vor die Tür - Kontakte vermeiden. Den Inhalt haben wir schon letzte Tage online ausgesucht. Es ist ein schnelles Frühstück, denn wir wollen los.

„Another Day in Paradise“ hätte auch das Tagesmotto sein können. Wir sind nämlich wieder in der „Paradise-Area“ unterwegs, der Weg nach „Sunrise“ (ohnehin eine gewaltige Fahrt) ist aktuell gesperrt. Das ist aber ohne Belang, denn Wandermöglichkeiten gibt es hier genug. Früh sind wir am Reflection Lake. Ganz ruhig ist es hier und weil früh morgens auch kein Windchen weht, hat der See seinen Namen bekommen. Der eigentliche Hauptdarsteller, Mount Rainier lässt sich aber erwartungsgemäß heute nicht sehen. Schon die Hinfahrt machte klar, was uns heute erwartet: Nebel - teilweise sehen wir die Hand vor Augen nicht! Wir hängen komplett in den Wolken und dafür hat es am See noch einigermaßen klare Sicht. Wir machen Fotos und den „Schuss des Tages“ macht Gabi mit ihrem iPhone 13. Auch die Entwicklung hat sie auf dem iPhone gemacht. Unfassbar, was technisch mit diesen kleinen Dingern heute möglich ist.

Schaut euch mal im Netz Bilder vom Mount Rainier an; da wird mit Sicherheit eines dabei sein, wo er sich im Reflection Lake spiegelt. So ein Bild hätte ich gerne geschossen heute, aber das Leben ist kein Wunschkonzert. Da der riesengroße Berg heute nicht als Fotomotiv zur Verfügung steht, mache ich mich auch an die kleinen Dinge am Wegesrand heran. Ganz versteckt unter einem Busch sehe ich einen bemalten Stein liegen - Erinnerungen: da ist wohl jemand nur 30 Jahre alt geworden, aber im Herzen immer dabei auf Reisen.

Um diese Uhrzeit ist noch nicht viel los im Nationalpark. Die meisten Besucher haben ja eine weitere Anreise; kaum jemand wohnt so nah wie wir. So begeben wir uns zum Visitor Center. Hier beginnt der Skyline Trail, der uns heute unser Wandererlebnis bescheren soll. Tut er - aber auf ganz besondere Weise. Vorbei am Paradiese Inn geht es zum Trailhead. Dieses interessante Gebäude könnte Hollywood auch für einen Steven-King-Thriller hernehmen. Mystisch kommt es daher.

Nach kurzem Anstieg erreichen wir die Myrtle Falls. Und hier - für vielleicht 5 Minuten - zeigt uns der Vulkan einen ganz kleinen Ausschnitt seiner Gletscherflanke. Wenn ich bedenke, dass er unmittelbar vor uns liegt und uns noch um über 2.000 Meter überragt hätte ich schon gerne mehr gesehen. Aber die Aufnahmen mit Gletscherfetzen im Hintergrund machen sich auch gut. Wir unterhalten uns mit einem Ranger und der rät, eine „Abkürzung“ über den Golden Gate Trail zu nehmen. Das spart eine Stunde Wegzeit - bei dem Wetter eine ausgezeichnete Idee. Wir sind allein unterwegs hier im Nebel. Das hat auch was meditatives. Plötzlich pfeift es vor uns und zwei kleine, zierliche Murmeltiere stellen sich vor. Sie sind wirklich putzig im Vergleich zu ihren fetten Brüdern, die wir später noch treffen, aber nicht fotografieren. Da wir uns Zeit lassen und nicht aufdringlich sind, lassen sie uns erstaunlich nahe an sich heran.

Es geht über Stock und Stein bei Null Sicht immer bergan. Die gut 500 Höhenmeter kommen uns anschließend viel mehr vor - vielleicht weil nicht so viel Aussicht war. Irgendwann erreichen wir wieder den Skyline Trail, es geht aber immer noch mächtig bergauf. Am Panorama-Point gibt es - außer den Nebel des Grauens - ebensowenig zu sehen wie am „Glacier Vista“. Dafür sind die Chipmunks hier sehr aufdringlich. Eines klettert mir fast den Rücken hoch und kriecht anschließend in meine Kamera. So kann man auch an Portraits kommen. 2.146 Meter sind wir hier hoch.

Auf dem weiteren Weg treffen wir noch eine Rangerin und quatschen gemütlich. Dabei erfahren wir noch etwas zu den Lahars - ihr erinnert euch? Die Schlammlawinen von gestern! Diese sind nämlich nicht an vulkanische Aktivitäten allein gebunden. In besonders warmen Sommern schmelzen große Mengen Gletscherwasser in kurzer Zeit und dann kann es zu diesen Schlammlawinen kommen. Daher auch der Hinweis im Zimmer bei uns. Das ist ähnlich wie in den Alpen: Extremwetter birgt reale Gefahren.

Nach gut 3:40 Stunden sind wir wieder am Ausgangspunkt. Gabi ist fix und foxi und muss sich erst mal setzen. Das war es für den Moment; an weitere Touren ist nicht zu denken, wir rollen zurück zum Zimmer. Unterwegs fangen wir noch eine Nudelsuppe und einen Burrito für die Mikrowelle. Nach schnellem Mittagessen ziehe ich die Fotos auf den Mac und dann ist Mittagspause - wir sind schließlich im Urlaub.

Am frühen Abend drehen wir noch eine kleine Runde über den „Tiny Trail“ hinterm Haus. Die haben hier tatsächlich ein kleines Stück Regenwald auf dem großzügig bemessenen Grundstück. Das Abendessen nehmen wir standesgemäß im Basecamp ein. So ein außergewöhnliches Gericht wie das „Chicken Thali“ bekommen wir so schnell nicht wieder. Auch eine Neuerung - zwei Abende hintereinander die gleiche Mahlzeit. Dafür variiere ich beim Bier.

Morgen steht die Fahrt nach Portland auf dem Programm. Je nach Wetter schauen wir nochmal kurz, ob sich der Vulkan sehen lässt. Wenn nicht, liegt mit dem Mount St. Helens ein gleichwertiges Schwergewicht an der Strecke. Mal sehen, was das Wetter sagt. Optional können wir auch Portland mit seinen Microbreweries unsicher machen.

Bis dann - gute Nacht!


Tagesetappe: 68 Kilometer
Übernachtung: Alexander’s Lodge***, 237515 State Road 706 East, Ashford, WA 98304

Himalaya Basecamp

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Jürgen im Wildberry Restaurant, Ashford, WA

Puh, das war ein anstrengender Tag gestern und ich habe geschlafen wie ein Murmeltier. Das Zimmer im Grey Gull inkl. Balkon ist echt klasse - es hat sogar eine Feuerstelle. Leider haben wir nicht so viel davon, weil wir gestern einfach komplett „auf“ waren und heute schon weiter fahren. Wir lassen es aber sehr ruhig angehen, heute morgen und skypen noch mit Vater und Birgit. WIFI ist auch klasse hier.

Gegen 09:00 Uhr geht es dann los - hier ist alles in doppelspurigen Einbahnstraßen mit Grünstreifen dazwischen organisiert. Na gut, Platz haben sie genug - wenige Häuser, viel Fläche. Neben dem Grey Gull sperrt ein Haifisch seinen Rachen auf. Da könnten wir frühstücken gehen, wissen aber nicht, ob wir dann nicht selbst gefrühstückt werden. Also verzichten wir.

Das erste Teilstück der Fahrt ist eher trist. Die Landschaft hat nicht viel zu bieten, das Wetter ist diesig. Es geht nach Osten. Immer wieder rollen Trucks mit Logs, also Baumstämmen, vorbei. Das ist wie gestern. Die haben echt Gewicht zu transportieren. Auf dem Foto ist ein „Kleiner“, die Großen gestern hatten 20-40 Baustämme geladen - oder aber 5 in den entsprechenden Maßen.

Erster Stop: Olympia. Dass dieses Nest die Hauptstadt von Washington ist (und nicht Seattle!) wusste ich vor einigen Wochen auch noch nicht. Aber sie haben ein stattliches Capitol hier - das kann sich sehen lassen. Weil alles eher entspannt aussieht fahren wir noch bis zur Waterfront, parken und strolchen etwas herum. So ein Mittagessen-Frühstück wäre jetzt gut. Heute Morgen hatten wir nur Kaffee und Keks, aber wir sind ja genügsam.

Da kommt die kleine Ansammlung an Food-Trucks gerade recht. Nun gut, die Tische fasst man besser nicht an, aber die Menüs sehen einladend aus und es gibt sogar die von mir so heiß geliebten Burritos beim Mexikaner. Also: ich bestelle einen (zum teilen) mit Chicken, Beef, Pork, Avocado, Beans, Reis und Salsa und lasse den natürlich in zwei Teile teilen. Wir setzen uns an einen der Tische und packen die in Alu gehüllten Hälften aus. Ich bin dabei von uns beiden ja eher der Fingerfood-gewandte Esser. Heute nicht! Meine Hälfte macht - wider aller Gesetze der Schwerkraft - einen doppelten Salto und landet - „flatsch“ - auf dem appetitlichen Tisch. Na super! Jetzt schnell sein: 30 Sekunden-Regel: alles, was weniger als 30 Sekunden Kontakt mit Dreck hat, ist unbedenklich. Ich bin schnell, so unendlich schnell. Gabi wendet sich mit Grausen ab, der Burrito-Schmied spendiert Teller und Servietten zum trockenlegen. Was soll ich sagen - ich lebe noch und lecker war das Teil auch noch.

Um 14:00 Uhr sind wir in der Alexander’s Lodge in Ashford, nur eine Meile vom Eingang zum Mount Rainier NP entfernt. Die Lodge datiert aus dem Jahre 1912 und kommt sehr schnuckelig daher. Leider ist es auch hier sehr bewölkt und bedeckt - es scheint, als habe jemand das Licht ausgemacht heute. Unser Zimmer ist noch nicht fertig und so brechen wir zu einem Abstecher zum Visitor Center in der Paradise-Area auf. Das sind ja nur 20 Meilen bergauf zu fahren. Das Visitor Center liegt auf 1.647 Metern.

Dort angekommen, beraten wir uns mit einem Ranger über das Programm für morgen. Wetterprognose: eher wie heute! Es kann sein, dass wir den Vulkangipfel als Hauptdarsteller dieses Nationalparks gar nicht zu Gesicht bekommen - obwohl wir den ganzen Tag planmäßig an seiner Flanke herumklettern werden. Ideen für ausgiebige Wanderungen haben wir jedenfalls. Wir schauen uns auch noch einen Infofilm über den Mount Rainier an. 4.392 Meter ist der hoch. Beeindruckende Aufnahmen, gute Erklärungen. Es handelt sich hier um einen bildschönen, aber auch aktiven Vulkan. Irgendwann wird er - wie der Mount St. Helens etwas weiter südlich 1980 - ausbrechen. Dann möchten wir nicht in der Nähe sein. Eindrucksvoll sind die Erläuterungen der Folgen: Ein Ausbruch würde neben der Lava auch sog. „Lahare“ (= Mudflows) erzeugen: Massen von geschmolzenem Gletscherwasser, die sich mit Schlamm vermischt ins Tal stürzen, Bäume und alles, was im Weg ist, mitreißen und 100.000enden das Verderben bringen. Gut, dass Gabi gerade im „Guest Directory“ auf dem Zimmer gelesen hat, was wir in solch einem Fall machen müssen: sammeln und auf höheres Terrain führen lassen (Tsunami-Taktik nenne ich das mal). Auf keinen Fall mit dem Auto wegfahren, denn damit flüchtet man bergab und da ist der Lahar immer der Schnellere - sogar schneller als der ultraflinke Burrito-Fänger.

Auf dem Rückweg halten wir bei den Narada Falls an und gehen ein Stück. Sehr schöne Wasserfälle mit der pitoresken Brücke obendran.

Wieder im Motel überlegen wir, wie wir es mit dem Abendessen halten. Zurück nach Ashford mögen wir nicht mehr fahren. Hier gegenüber ist das „Wildberry Restaurant“ - zunächst erkunden wir aber den kleinen Store am Parkeingang. Dort erstehe ich eine Dose Bier für heute Abend und Gabi ein paar Dosen Cider. Die Verkäuferin empfiehlt das „Wildberry“ und so steuern wir es gleich an.

Große Überraschung!! Das Restaurant wirbt draussen mit: „Featuring a taste of two worlds: Traditional Sherpa Himalayan Dishes & American Mountain Menue“. Wir bekommen einen Tisch auf der Terrasse und die Speisenkarte bietet neben interessanten Burgern tatsächlich „Sherpa-Food“. Wir bestellen „Chicken Thali“. Das ist Reis mit einem Hühnchen-Curry, einer Erbsen-Linsensuppe, etwas Rohkost, einem scharfen Möhren-Erbsensalat und einer eingelegten Habanero. Extrem schmackhaft! Das Mac & Jack’s Amber Beer passt ausgezeichnet dazu. Uns fallen die Gebetsfahnen auf, die hier hängen - wie im Basislager auf dem Everest. Und dann kommen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus: innen finden wir eine Figur mit kompletter Everest-Ausstattung sowie weiteren Utensilien aus dem Höhenbergsteigen. Die Urkunden und Zeitungsartikel rundherum beschreiben, dass der Besitzer des Wildberry, Lhakpa Gelu Sherpa (Nepal) 15 Mal (!) als Sherpa mit auf dem Gipfel des Mount Everest war (10 Mal über die Süd- und 5 Mal über die Nordroute). Zudem war er am 26. Mai 2003 mit 10 Stunden, 56 Minuten und 46 Sekunden der schnellste Mensch, der je vom Basislager auf den Gipfel des Mount Everest gestürmt ist. Unfassbar!! Das ist genau das Richtige für mich - interessiere ich mich doch sehr für die Geschichte und Technik zur Besteigung dieses besonderen Berges. Auf dem Gipfel des Mount Rainier war er übrigens schlappe 95 mal.

Und so hatten wir heute nicht nur die erste Akklimatisation am Mount Rainier, sondern auch noch das echte „Basislager-Feeling“ mit authentischem Sherpa-Essen und erstaunlicher Begleitgeschichte. Ich bin begeistert.

Nun habe ich wieder viel mehr geschrieben, als ich wollte. Hoffe, es gefällt euch dennoch. Und jetzt ist Feierabend - mal sehen, ob das WIFI zum Upload reicht - es ist eher schwach auf der Brust, mal sehen.

Gute Nacht wünscht Sherpa Jack MacBaetz.


Tagesetappe: 288 Kilometer
Übernachtung: Alexander’s Lodge***, 237515 State Road 706 East, Ashford, WA 98304

Vertcal World

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Jürgen im Hoh Rain Forest, Spruce Nature Trail, Olympic NP, WA

Die Nacht im Aircrest Motel war recht gut - ganz anders das Internet. Nicht vorhanden, würde ich mal sagen. Keine Chance, die Website hochzuladen. Na dann später - hoffentlich. Wir sind schnell fertig, zum „Frühstück“ gibt’s hier Kaffee, den wir in unsere Yeti-Becher zapfen. Da bleibt er bis mittags heiß.

Ich bin gedanklich schon im Wald, doch Gabi möchte unbedingt noch kurz zur Marina. Gute Idee - zumal die gleich um die Ecke ist. Die Möwen haben wir schon im Motel schreien hören. Bis auf das Möwengeschrei ist es aber sehr ruhig an der Marina. Der Tag erwacht gerade erst um 07:30 Uhr. Wir schlendern über den Hollywood Beach, statten dem City Pier einen kurzen Besuch ab und fangen Sandwiches und einen Blueberry Lemon Crumble Muffin (hab ich mir gemerkt, den Namen - jawohl!) für Gabi. Alles selbstgeknetet, geformt und an den Start gebracht von der netten Melanie.

Wenige Augenblicke später sind wir auf dem Highway No. 101, der heute den größten Teil der Strecke unser Freund ist. Schon bald biegen wir ab in das romantische Elwha River Valley. Hier erwartet uns der erste Wasserfall unseres diesjährigen Aufenthaltes - die Madison Falls. Auf dem Weg durch den verwunschenen Wald mit den riesigen Bäumen fragt Gabi, ob ich das Mottolied dieses Waldes kenne? Genau: Fragezeichen! Da singt sie: „Was müssen das für Bäume sein, wo die großen E-le-fan-ten spa-zier-en-gehn, ohne sich zu stoßen?“ Ich werde wahnsinnig - da pflanzt sie mir früh morgens so einen alten Ferienlagergassenhauer ein. Den Ohrwurm werde ich jetzt den ganzen Tag nicht mehr los! Na warte …

Hatte ich die Kernelemente der aktuellen Tour genannt? Hier sind sie: Bäume, Berge, Wasserfälle, Beaches und Vulkane. Heute gibt es einige davon - vor allem Bäume und Wasserfälle. Irgendwie gucken wir den ganzen Tag staunend nach oben. Ich muss mich wirklich zwingen, auch mal ein horizontales Foto zu machen. Die Kamera schwingt immer ganz von selbst in die Vertikale. Nicht typisch für Landschaftsfotos, der „Portraitmodus“ - heute schon: vertical world!

Hier ist noch gar nichts los um diese Zeit. Das ist genau richtig, um sich mal wieder an die Fotografie mit Graufilter zu gewöhnen: Stativ aufbauen, Kamera drauf, ISO („Filmempfindlichkeit“) auf 100 fix, Ausschnitt und Blende wählen, fokussieren, Belichtung merken. Belichtung, ISO und Blende unter Angabe der Stärke des Graufilters (heute mal 8-fach) in eine passende App auf dem iPhone eingeben (damit man nicht alles selber rechnen muss). Belichtungszeit ablesen und Blende und Zeit im manuellen Modus an der Kamera eingeben. Graufilter draufschrauben, ohne etwas zu verwackeln (apropos: Verwacklungsschutz am Objektiv ausschalten) und dann - auslösen. Für den nächsten Bildausschnitt alles wieder von vorn. Von wegen knipsen - Fotografie ist mit Arbeit verbunden! Aber so gelingen diese schönen, lang belichteten Aufnahmen mit „fließendem“ Wasser und glatten Wasseroberflächen.

Nächster Stop: der Lake Crescent. Hier beginnt der Marymere Falls Trail zu den gleichnamigen Wasserfällen. Wieder sehr schön und am Ende statten wir der Lodge und dem See noch einen Besuch ab.

Dann steht das Sol Duc Valley an - wieder geht es einige Zusatzmeilen in ein Nebental. Wir schwingen sanft im Auto über die gewundene Straße dahin. Eva Cassidy sing zwei ihrer traurigen Lieder, begleitet nur von einer schönen akustischen Gitarre. Da meint man zu schweben in diesem Zauberwald. Und dann gesellt sich wie durch ein Wunder noch die schöne Instrumentalfassung von „Moon River“ hinzu, die ich im April bei einigen besonderen Momenten des Abschieds von einem ganz lieben Menschen gespielt hatte. Für einen längeren Moment sind wir nicht mehr allein im Auto unterwegs …

Bei den Salmon Cascades machen wir Halt. In den Stromschnellen kann man zur richtigen Jahreszeit Lachse springen sehen - heute machen nur die Stromschnellen Eindruck. Gabi schaut sie sich von einem erhöhten Standpunkt aus an -ich klettere hinunter und komme dem Wasser sehr nahe. Die Sol Duc Falls müssen wir diesmal ausfallen lassen - keine Parkmöglichkeiten und die Zeit wird irgendwann knapp.

Am Pleasant Lake legen wir eine kurze Mittagspause ein und verputzen Sandwich und Obst.

Den Hoh Rain Forest mussten wir 2018 auslassen, weil er gesperrt war. Heute ist offen und das nutzen wir trotz der fortgeschrittenen Zeit aus: nur 15 Minuten Wartezeit am Einlasshäuschen - aber die 20 Meilen bis zum Trailhead waren schon jede Mühe Wert: tolle Strecke!! Wir nehmen den Hall of Mosses Trail und den Spruce Nature Trail unter die Wanderstiefel - die tatsächlich in den Koffer gepasst haben. Die werden uns gute Dienste tun, denn Wanderungen soll es einige geben dieses Jahr. Die beiden Trails sind wirklich atemberaubend. Bemooste Bäume überall, sattes Grün, viele Farne, auf Fallholz wachsen neue Bäume etc. Das Stativ tut wieder seine Dienste und um 17:00 Uhr sind wir fertig - im wahrsten Sinne des Wortes.

Nun noch 2,5 Stunden Autofahrt bis Ocean Shores - weitere Stopps erübrigen sich. Wir sind froh, als wir das Motel gegen 19:20 Uhr erreichen. Wir bekommen ein tolles Zimmer und kurven gleich weiter zu Bennet’s Fish Shack. Hier am Pazifik muss es Fisch sein heute Abend. Besser: Fish & Chips & Prawns & Käse mit Jalapenos - alles (wirklich alles!) frittiert. Dazu ein Bier. Schnaps wäre jetzt nicht schlecht, aber ich muss ja noch die paar Meter zum Motel zurück. Für einen Verdauungsschnapps würde ich selbst jetzt, 2 Stunden später noch was geben.

Das war ein supertoller Tag, wenn auch ganz schön anstrengend. Das WIFI im Grey Gull Motel ist klasse. Als wir essen waren habe ich die Inhalte von gestern schon hochgeladen. Jetzt folgen Fotos und Tagebuch von heute. Dann werden wir ins Bett fallen - ab in die Horizontale! Morgen wartet der erste Vulkan, da freuen wir uns schon jetzt.

Tagesetappe: 383 Kilometer
Übernachtung: Grey Gull***, 651 Ocean Shores Boulevard Northwest, Ocean Shores, WA 98569

Über den Wolken ...

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Gabi & Jürgen auf dem High Ridge Trail, Olympic NP, WA

… ist die Freiheit grenzenlos und, was noch viel besser ist: es scheint die Sonne. Doch eins nach dem anderen:

Ich habe gestern Abend viel zu viele Fotos ausgesucht für die Website und das hat irgendwie alles ziemlich lange gedauert. Am Ende war ich zu müde, um alles noch hochzuladen. Außerdem war ich noch nicht zufrieden mit der Überschrift und wollte Gabi auch gerne noch Korrektur lesen lassen. So habe ich mich gegen 21:30 Uhr ins Bett gehauen - wohl wissend, dass Gabi, die ja schon seit Stunden schlief, die Nacht irgendwann zum Tag machen würde. Es war aber entspannter als befürchtet: erst gegen 04:00 Uhr wird sie unruhig und ich bitte sie, sich mit meinen Ergebnissen vom Vorabend zu beschäftigen. Macht sie und 45 Minuten später ist die Website online.

Wir versuchen, möglichst zügig wegzukommen aus Seattle, denn wir sind ja extrem früh wach gewesen. Aber da gibt es zunächst ja noch Frühstück und dann wollen wir auschecken - leider mit Hindernissen. Auch der Transport der Koffer vom Zimmer in die Tiefgarage ist nicht so einfach, wenn nur einer von zwei Aufzügen bis ganz unten fährt - aber 6 x der andere die Türen öffnet und sich der eigentlich benötigte Fahrstuhl einfach nicht blicken lässt. Ich bleibe erstaunlich ruhig - was man nicht ändern kann … Nach tatkräftiger Unterstützung aus der Heimat (danke an Olaf von der Volksbank - die sind echt auf Zack, merken, dass meine Kreditkarte am anderen Ende der Welt verwendet wird und sperren sie vorsichtshalber mal - geben sie aber ebenso schnell wieder frei) rollen wir gen Norden. Das Navi schickt uns Schleichwege. Die sind wirklich schön anzusehen und setzen uns noch mehr in den Urlaubsmodus.

An der Fähre Edmonds - Kingston kommen wir dann genau passend an. Wir müssen nicht lange warten, verfrachten unseren Nissan an Bord, verbringen die Überfahrt recht zugig an der frischen Luft und sind dann auch wirklich ländlich unterwegs. Aus dem Radio ertönt Country-Musik und wir sind definitiv angekommen im Chill-Modus.

Das Safeway in Kingston hatten wir zu Hause schon ausgesucht. Google-Maps sei Dank! Hier erledigen wir unseren ersten Einkauf. Mengen von Wasser, ein paar Chips, Obst, Wein, Nüsse, Müsliriegel für den Notfall und ähnliches wandern in den Einkaufswagen. Die Preise haben auch hier nochmal angezogen und angesichts des Umtauschkurses von quasi 1:1 ist das alles andere als lustig. Gut, dass wir unseren „Mitgliedsausweis“ von Safeway aus dem Jahre 2011 dabei haben. So sparen wir immerhin gut 11 $ auf den Einkauf.

Um 12:30 sind wir am Motel in Port Angeles, können sofort einchecken, packen die Koffer aufs Zimmer und ziehen uns um. Wie gestern Mittag ist es auch heute diesig. Warm zwar, aber eben sehr bedeckt. Unser nächstes Ziel ist das Visitor Center des Olympic National Park an der Hurrican Ridge Road. Vorstellen könnten wir uns, den Nachmittag oben auf der Hurrican Ridge zu verbringen. Die heißt so, weil dort regelmäßig äußerst heftige Winde wehen. Als wir 2018 hier waren, lag oben Schnee und es war bitterkalt. So hatten wir uns zumindest schon mal für lange Hosen entschieden.

Aber oh Wunder: die Rangerin im Visitor Center sagt, oben sei es heute echt schön. Und: Recht hat sie! Sie gibt uns einige Tipps für Wanderungen und wir beraten uns intensiv zum morgigen Tag - neben den bereits von uns ausgesuchten Dingen hat sie viele Tipps parat. Klasse!

Über unzählige Serpentinen fahre ich uns von quasi Null auf 1.594 Meter hoch. Dabei durchbrechen wir die Wolkendecke und siehe da: oben ist es total sonnig, es gibt blauen Himmel vom Feinsten und warm ist es zusätzlich noch.

Zu Beginn begeben wir uns auf den Cirque Rim Trail, den wir schon kennen. Schöne Aussichten und Tiefblicke bilden ein fantastisches Panorama. Nur das Atmen fällt hier etwas schwerer, besonders beim bergauf schnaufen. Wir biegen um eine Ecke - da steht ein Mule Deer, ganz nah. Wir pirschen uns heran und es gelingen ein paar schöne Bilder von dem vorsichtigen, aber nicht allzu schreckhaften Tier.

Der High Ridge Trail geht noch steiler bergan und wir hecheln ein wenig den Berg hinauf. Dafür bieten sich tolle Ausblicke auf die Olympic Mountains und die unter uns liegenden Wolkenfelder. Mit dem Auto fahren wir noch einige Meilen weiter und nehmen dann den Hurrican Hill Trail unter die Sohlen. Der Weg ist asphaltiert, aber z.T. sehr, sehr steil. Ein junger Mann schiebt einen Kinderwagen hinauf, andere Eltern kommen uns mit Säuglingen vor der Brust oder Kleinkindern im Tragegestell entgegen. Respekt!

Wir genießen die Sonne und die frische Luft, sparen uns aber dann den letzten Aufstieg über ein weiteres steiles Wegstück völlig ohne Schatten. Wir sind ja erst am Anfang des Urlaubs und müssen es nicht zwingen. Gegen 17:00 Uhr sind wir wieder am Zimmer und machen uns über die Fotos her. Danach fahre ich noch einmal kurz um den Block und besorge uns eine Meatzza bei Dominos. Tolle Pizza mit fleischhaltiger Auflage. Saulecker!! Anschließend schreibe ich dieses Tagebuch und jetzt ist gleich Feierabend. Immerhin fast 1,5 Stunden früher als gestern. Nur hochladen kann ich die Website heute nicht mehr. Was sich hier W-LAN nennt, hat mit Internert nichts zu tun.

Und so kehre ich noch einmal zurück zum guten, alten Reinhard aus der Familie Mey:

„Über den Wolken - muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.
Alle Ängste, alle Sorgen - sagt man,
blieben darunter verborgen und dann
würde, was uns groß und wichtig erscheint,
plötzlich nichtig und klein!“

Nehmt diese Worte mit in eure nächste Nacht - süße Träume von der Welt „über den Wolken“ wünsche ich euch! Bis morgen!! Schlaft so gut wie wir!

Tagesetappe: 214 Kilometer
Übernachtung: Aircrest Motel**, 1006 East Front Street, Port Angeles, WA 98362

Bainbridge, Beer, Borussia

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Jürgen am Bainbridge Brewery Alehouse, Bainbridge Island, WA

Die Nacht war sehr ok für eine erste nach der langen Anreise. Wir sind zwar immer wieder mal wach, aber im Grunde kommen wir bis halb sechs klar. Dann richten wir Dinge für die nächsten Tage und frühstücken lecker. Es gibt wirklich alles, was das Herz begehrt, außer Breakfast Burritos. Aber hängen wir die Ansprüche mal nicht zu hoch.

So sind wir früh auf den Füßen und starten bei warmen 28 Grad Richtung Innenstadt. Bei den Seattle Firefighters an der 4th Avenue hängt die Fahne auf Halbmast. Klar: 9/11! Das ist nun auch schon 21 Jahre her. Wenige Meter weiter steht ein Riesen-Wassereis und Gabi muss sich das mal genauer anschauen.

Wir erreichen Pike Place Market, unser erstes Ziel für heute. Dort gibt es wie immer viel zu sehen. Besonders der frische Fisch, das knackige Gemüse und die bunten Blumen haben es uns angetan. Zur Erheiterung der Besucher schmeißen sich einige Angestellte einen fangfrischen Lachs zu - da muss mancher den Kopf einziehen, die Fische fliegen tief heute. Wer genau hinschaut, sieht den fliegenden Lachs auf einem der Fotos. In einer Ecke finden wir eine Art Apotheke mit wunderlichen, fremden Kräutern. Zwischendurch schauen wir noch beim ersten Starbucks Coffeeshop aller Zeiten vorbei - hier stellen sich Leute tatsächlich in eine 50 Meter lange Schlange, nur um gerade dort viel Geld für einen Kaffee auszugeben.

Als wir uns sattgesehen und -fotografiert haben wechseln wir wieder zurück auf die 1st Avenue und erreichen bald das Seattle Art Museum mit dem riesigen Kerl davor, der den Hammer schwingt. Tiny Little Bear, der wieder mit von der Partie ist, begrüßt zwei Artgenossen auf einem Schild. Wieder einige Blocks weiter erreichen wir mit dem Pioneer Square den historischen District. Zwischendurch gibt es immer wieder viel zu entdecken. Dazu gehören leider auch eine ganze Reihe von Obdachlosen, die maximal ein Zelt mittel auf dem Bürgersteig ihr eigen nennen. Manche haben nicht mal das und sie schlafen auf dem nackten Bürgersteig. Traurig.

Rund um den Pioneer Square finden wir interessante Geschäfte und bewundern den alten Häuserbestand. Den gefallenen Firefightern hat man hier ein Denkmal gesetzt. Auch Totempfähle gibt es hier. Ins Klondike Gold Rush Museum müssen wir rein. Mittels Film informieren wir uns darüber, wie Seattle mit dem Gold Rush am Klondike und Yukon groß und bekannt wurde. Hier war die „Homebase“ für alle Expeditionen und all die Glücksritter, die sich hier mit dem notwendigen Lebensbedarf für die Wildnis eindeckten, bevor sie sich vor 150 Jahren ins große Abenteuer „Goldschürfen“ stürzten. Einige machten ihr Glück, viele erlebten genau das Gegenteil.

Mit dem „Lumen Field“ erreichen wir die Stadien der Stadt und die Heimat der „Seattle Sea Hawks“. Die Falken spielen hier in dem riesigen Stadion American Football und sie haben kleine und große Fans. Auch in Chinatown ist Sonntag und man spielt Ping-Pong unter freiem Himmel. Wir lassen uns einfach treiben, das ist alles sehr entspannt.

2018 hatten wir eine größere Hafenrundfahrt gemacht. Für dieses mal haben wir uns etwas anderes ausgedacht: am Nachmittag fahren wir mit der Fähre nach Bainbridge Island hinüber. Das dauert ca. 35 Minuten und schon dreht sich die Welt noch langsamer. Auf der Insel gibt es quasi nur eine Hauptstraße, an der schöne Geschäfte liegen. Gleich zu Beginn stehen wir vor dem Bainbridge Brewery Alehouse. Da wir ohnehin Durst haben nach den ersten 10 Kilometern lassen wir uns nicht lange bitten. Ein hiesiges Cider für Gabi, ein Bier für mich; das schmeckt wunderbar an der frischen Luft.

Bei einem Outdoor-Ausrüster sind Flipflops im Angebot und zwar genau meine geliebten OluKais. Ich hatte mir aus Hawaii 2015 ein Paar mitgebracht und die sind einfach auf. Was liegt also näher, als sie hier und heute zu ersetzen? Nach Hawaii können wir ja trotzdem nochmal fahren - dafür müssen aber die Preise wieder sinken und der Wechselkurs wieder steigen. Der sportliche Verkäufer ist in meinem Alter und fragt mich, ob ich einen favorisierten Fußballclub habe. Dass er Fußball kennt ist schon verwunderlich. Auf meine Antwort, dass ich einen Club habe, den er ganz sicher nicht kennen wird, bohrt er nach. Ich verweise auf die Borussia und jetzt bin ich mit Staunen dran: sein Lieblingsspieler sei immer Rainer Bonhoff gewesen - und Uli Stielike. Unfassbar!

Weil es so schön war gönnen wir uns noch mehr Cider und Bier am Alehouse. Sonntagnachmittag, Urlaub - es kann so schön sein. Gabi meint, jetzt hätte ich mein Urlaubsgesicht aufgesetzt. Wozu? Zu Recht! Dann bringt uns die Fähre zurück nach Seattle.

Dort geht’s noch an Miner’s Landing und dem „Great Wheel“ vorbei, immer die Waterfront entlang, wo gerade ein riesiges Kreuzfahrtschiff ablegt.

In unmittelbarer Nähe unseres Hotels finden wir einen Thailänder. Hunger haben wir jetzt auf jeden Fall. Crispy Rolls als Vorspeise, Pad Thai für Gabi und ein scharfes Curry für mich schmecken richtig prima. Zum „Löschen“ gibt es noch ein gezapftes Bierchen. Das mit dem Trinkgeld habe ich ja eigentlich drauf - jetzt staune ich aber wirklich: erstmals hat sich jemand getraut, das Trinkgeld bereits auf die Rechnung zu setzen und zwar nicht nur als Vorschlag, sondern in die Endsumme eingerechnet. Das finde ich bei allem Verständnis dann aber doch deutlich übergriffig und das sage ich der Bedienung auch. Die wird - obwohl ich wirklich freundlich bleibe - noch kleiner als sie ohnehin schon ist und entschuldigt sich vielmals. Sie erklärt mir, da habe sie wohl einen Fehler gemacht. Nun ja, trotz aller Freundlichkeit war ich sicher auch deutlich - so was sei mir in 11 Jahren noch nicht vorgekommen. Am Ende bekommt sie, was auf der Rechnung steht - aber freiwillig!

Im Hotel sinkt Gabi gleich aufs Kissen und eben habe ich sie gefragt, ob sie wirklich durchschlafen will. Will sie. Das wird sich heute Nacht irgendwann rächen, weil sie dann ausgeschlafen ist. Ich kann sie aber sehr gut verstehen. Fast 19 Kilometer zu Fuß und das nach der Anreise gestern - da darf man müde sein. Ich habe jetzt auch viel länger für Bilder, Tagebuch und Website benötigt als gewollt. Aber so ist es halt fertig und ich lege mich jetzt auch hin.

Die Fragen des Tages: Muss man Fische fliegen lassen? - Eigentlich nein, lustig ist es aber. Muss man stundenlang anstehen, nur um einen Kaffee im ersten Starbucks der Welt zu kaufen? - Ich denke nein. Muss man die verschiedenen Biersorten der Bainbridge Brewery probieren? - Muss man nicht - aber die schmecken echt toll! Wer macht Borussia Mönchengladbach weltbekannt? - Rainer Bonhoff & Uli Stielike. Wie sollte der perfekte Sonntag aussehen? - Keine Ahnung - aber der heutige kam dem sicher sehr nahe!

Gute Nacht - morgen früh brechen wir auf in den Olympic National Park. Darauf freue ich mich sehr. Den notwendigen Jahrespass haben wir heute im Gold Rush Museum bereits gekauft.

Tagesetappe: 18,9 Kilometer gelaufen
Übernachtung: Hyatt House Downtown***, 201 Fifth Avenue North, Seattle, WA 98109

Vorfreude!

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Gabi am Museum of Modern Pop Culture (MoPop), Seattle Center, WA

Vorfreude! Das erste Wort meines Reisetagebuchs 2022. Schön, oder? Finde ich auch! Und jetzt, hier im Staycity Hotel am Airport Frankfurt am Main, schon einige Kilometer weg von zu Hause, empfinde ich tatsächlich diese Spannung, gepaart mit unbändiger Lust auf Urlaub und eine unbeschwerte, sorgenfreie und richtig „private“ Zeit.

„Unbeschwert“? „Sorgenfrei“? „Privat?“ - das waren Fremdwörter in den vergangenen Monaten diesen Jahres und wenn ich ehrlich bin: sogar der vergangenen 2,5 Jahre. Seit uns diese Pandemie in Beschlag nahm, man keinem noch so vertrauten Menschen mehr ohne Maske und Sorge nahe kommen kann, hat sich so vieles verändert. Für mich und uns war das vor allem verbunden mit noch mehr Arbeit. Erfüllender, sicherlich auch wichtiger und anerkannter Arbeit - aber Raum für Privates war da nicht mehr. Wegen Corona ging ohnehin alles auf Distanz und wenn du dann noch über lange Zeit meist 7 Tage die Woche und auch nachts noch in Gedanken „aufe Aabeit bis“, dann ist irgendwann Schluss mit lustig. Und dann überfallen die Russen die Ukraine und das nächste Sorgenpaket wird geschnürt. Geht’s eigentlich noch? Waren wir nicht alle stolz und glücklich über mehr als 70 Jahre Frieden in Europa? Hat das aktuell alles einen Sinn? Nein! Und mit dem Überfall auf die Ukraine und all seinen Nebenschauplätzen spuken jetzt Worte wie „Gasmangellage“, „Blackout“ u.ä. durch die Medien. Da ist sie: die nächste Baustelle. Gestern habe ich noch mit einem lieben Kollegen im Kreisausschuss Kleve darüber berichtet, was wir alles tun aktuell, um uns zu rüsten auf diese besorgniserregenden Szenarien. Und eben im Zug las ich bereits den ausführlichen Artikel dazu auf RP-Online.

Heute, am Freitag haben wir beide noch gearbeitet. Und ich muss sagen, dass es für mich ein wie immer sehr ausgefüllter, aber auch sehr schöner letzter Arbeitstag war. Termine hatte ich mir keine mehr reingeholt für heute. Satt dessen haben ich Schreibtisch und Mailpostfach geräumt und einige Stunden damit verbracht, das Thema „Energiemangellage“ mit lieben Kolleginnen und Kollegen dezidiert durchzusprechen, offene Fragen zu beantworten, Weichen zu stellen und im Team zu überlegen, wer was in den kommenden drei Wochen macht, um uns in dem Thema weiter voran zu bringen. Und selten war ich so stolz darauf, wie engagiert, durchdacht und planvoll alle mitdenken. Ich habe da wirklich ein super Team um mich in der Verwaltung. Die Kolleginnen hatten das Meeting so gut vorbereitet, dass wir in drei Stunden extrem viel geschafft haben. Und im Ergebnis konnte ich - auch wenn es inhaltlich schwer fällt - um 14:15 Uhr in dem 150% sicheren Gefühl ausstempeln: „das läuft super konzentriert auch ohne mich - schön, wenn ich in drei Wochen wieder einsteigen kann!“

Nun blicken wir gemeinsam, nach vorn: ich bin fest gewillt, drei absolut sorgenfreie, unbeschwerte und private Wochen zu verbringen. Die beiden letzten Absätze mussten sein, um den Urlaub einzuordnen in diese Welt 2022, die aus den Fugen geraten scheint. Doch jetzt zählt erst mal: Vorfreude!

In den verbleibenden 60 Minuten heute Mittag zu Hause haben wir ruckzuck die letzten Handgriffe getan und uns abreisefertig gemacht. Birgit bringt uns zum Duisburger Hauptbahnhof und nach Monaten der Trockenheit - ohne einen Tropfen Regen - schüttet es aus Kübeln. Der ICE fährt mit Verspätung ab und liegt in Köln über 30 Minuten hinten. Dann beschleunigt er aber auf 300 km/h und katapultiert uns an den Airport Frankfurt. Drei Rolltreppen später sind wir unsere Koffer los - Vorabend-Check-in. Die Bordkarten habe ich heute Mittag schon online erhalten.

Die 25 Minuten Fußweg zum Hotel tun gut, das Zimmer ist super - sehr geräumig und komplett mit Küchenzeile. Nebenan ist ein Italiener, aber da ist es so proppevoll, dass die Leute draussen Schlange stehen. Wir stellen uns erst an, entscheiden dann aber, lieber eine „einfache“ Pizza im Hotel zu essen. Gute Idee! Die Pizza ist super und wir sitzen völlig ruhig und ungestört.

Für morgen früh ist das Taxi bestellt. Wegen der Lufthansa-Streiks in den vergangenen beiden Wochen empfiehlt der freundliche Rezeptionist, rechtzeitig am Airport zu sein: gute Chance auf lange Schlangen an der Sicherheitskontrolle. Da gehen wir - wie auch sonst im Leben - auf Nummer sicher. Um 06:15 Uhr gibt’s den wake-up-call, für 07:00 Uhr ist ein Taxi bestellt. 10:00 Uhr soll Boarding sein, um 10:45 Uhr heißt es dann: Abflug mit der Lufthansa.

Gute Nacht - weiter geht es morgen aus Seattle. Unser größter Wunsch ist es, die lange Flugzeit mit FFP-2-Maske ohne Infektion zu überstehen. Auch diesbezüglich haben wir alles gegeben: 4 Impfungen und größte Vorsicht in den vergangenen Wochen. See you in Seattle - schlaflos?

Das ging ratzfatz heute morgen. Im Hotel lief alles wie am Schnürchen und selbst das Taxi war 15 Minuten vor der Zeit schon am Start. Da wir sehr früh am Airport waren, gab es auch kaum Wartezeiten an den Sicherheitskontrollen. Wir erwischten sogar eine Mannschaft, die gerade Schichtbeginn hatte und uns als erste Gäste begrüßte. Super gelaunt, völlig unproblematisch - es fehlte nur noch die La-Ola-Welle, so haben wir uns gegenseitig gefeiert. Das war super schön. Am Airport hatten wir dann ein kleines Frühstück und ab ging’s zum Boarding.

Da hatten wir zwei Plätze am Fenster gebucht (2 - 4 - 2 - Bestuhlung) und beim Einsteigen stellen wir fest, dass die Bordkarten plötzlich zwei Plätze in der Mitte ausweisen. Das war blöd, zumal sich diverse Zeitgenossen, u.a. unser Nebenmann nicht um Corona-Regeln scheren und keine Maskte tragen. Unangenehm! Der Flug vergeht aber einigermaßen erträglich und Tom Cruise rettet gleich in zwei Teilen von „Top Gun“ die amerikanische Seelenbefindlichkeit. Wir landen pünktlich in Seattle - zu Haue ist es nun 21:20, in Seattle zwanzig nach eins nachmittags. Unsere Koffer bekommen wir dann auch und das Einwandern hat auch schon länger gedauert. Superfix klappt es dann mit dem Mietwagen - ich hatte ja von zu Hause aus schon alles ausgefüllt. Die Dame am Counter springt auf meine Lobeshymnen bzgl. Alamo an und spendiert uns ein Upgrade auf einen Standard SUV. So ergattern wir einen Nissan Roughe mit allen Extras inkl. Apple Car Play- sehr praktisch!

Gegen 15:00 Uhr sind wir im Hotel, das direkt gegenüber der Space Needle liegt. Ich springe kurz rein um einzuchecken und bekomme die Zimmerkarten. Und dann bekomme ich noch welche und die Rezeptionistin schickt sich an, noch ein drittes Paar vorzubereiten. Auf meine vorsichtige Frage, was ich denn mit drei Zimmern machen soll antwortet sie, dass auf mich doch drei Zimmer reserviert seien. Nö, verstehe ich nicht. Habe das Hotel als einziges über das Reisebüro gebucht aber die wissen auch, dass wir nur ein Zimmer benötigen. Nach kurzem hin und her wird mir versichert, dass nun alles seine Richtigkeit habe und die Abbuchungen für die zwei überschüssigen Zimmer erstattet werden.

Wir packen kurz aus und starten noch auf einen Tripp nach draussen. Puh - ganz schön warm hier und sonnig. 26 Grad im Schatten. Wir drehen eine große Runde um die Space Needle. Der internationale Springbrunnen ist cool mit all den Kids, die hier toben und der Musik im Hintergrund. Besonders „heiß“ ist das Museum of Pop Culture (MoPop) mit seinen bunten Fassaden. Die violette Außenhaut soll an Jimmy Hendrix’ Song „Purple Haze“ von 1967 erinnern.

Wir gehen noch durch den Skulpturenpark runter ans Wasser und trinken dort einheimisches Bier und Cider. Dazu gibt es einen Burger. Alles gut - wir sind angekommen.

Nun ist es 20:00 Uhr und wir schreiben an der Bar diese Zeilen. Zu Hause ist es jetzt 05:00 Uhr morgens - da haben wir die Uhr rund, wenn wir gleich im Bett liegen. Es reicht jetzt auch. Morgen genießen wir einen vollen Tag in Seattle.

Euch allen wünschen wir wieder ganz viel Spaß mit unserer Website; unsere Gedanken sind bei den Lieben zu Hause!

Tagesetappe: 8.180 Kilometer geflogen, 26 Kilometer gefahren
Übernachtung: Hyatt House Downtown***, 201 Fifth Avenue North, Seattle, WA 98109

© 2022 Gabi & Jürgen