Tagebuch
High Skyline Trail

Jürgen am Reflection Lake, Mount Rainier NP, WA
Upload hat geklappt, hat zwar bis in die Nacht gedauert, war aber stabil. Sehr schön! Die Nächte sind echt erholsam. Heute morgen schieben wir aber nichts auf die lange Bank, denn die Wetterprognose ist zumindest für den Nachmittag unsicher - leichter Regen ist möglich.
Um halb acht klopft es an die Zimmertür: draussen steht unser Frühstückskorb bereit; Kaffee hat Gabi schon gekocht. Das ist wie bei Rotkäppchen hier - aus Corona-Schutzgründen stellen sie das Frühstückskörbchen einfach vor die Tür - Kontakte vermeiden. Den Inhalt haben wir schon letzte Tage online ausgesucht. Es ist ein schnelles Frühstück, denn wir wollen los.
„Another Day in Paradise“ hätte auch das Tagesmotto sein können. Wir sind nämlich wieder in der „Paradise-Area“ unterwegs, der Weg nach „Sunrise“ (ohnehin eine gewaltige Fahrt) ist aktuell gesperrt. Das ist aber ohne Belang, denn Wandermöglichkeiten gibt es hier genug. Früh sind wir am Reflection Lake. Ganz ruhig ist es hier und weil früh morgens auch kein Windchen weht, hat der See seinen Namen bekommen. Der eigentliche Hauptdarsteller, Mount Rainier lässt sich aber erwartungsgemäß heute nicht sehen. Schon die Hinfahrt machte klar, was uns heute erwartet: Nebel - teilweise sehen wir die Hand vor Augen nicht! Wir hängen komplett in den Wolken und dafür hat es am See noch einigermaßen klare Sicht. Wir machen Fotos und den „Schuss des Tages“ macht Gabi mit ihrem iPhone 13. Auch die Entwicklung hat sie auf dem iPhone gemacht. Unfassbar, was technisch mit diesen kleinen Dingern heute möglich ist.
Schaut euch mal im Netz Bilder vom Mount Rainier an; da wird mit Sicherheit eines dabei sein, wo er sich im Reflection Lake spiegelt. So ein Bild hätte ich gerne geschossen heute, aber das Leben ist kein Wunschkonzert. Da der riesengroße Berg heute nicht als Fotomotiv zur Verfügung steht, mache ich mich auch an die kleinen Dinge am Wegesrand heran. Ganz versteckt unter einem Busch sehe ich einen bemalten Stein liegen - Erinnerungen: da ist wohl jemand nur 30 Jahre alt geworden, aber im Herzen immer dabei auf Reisen.
Um diese Uhrzeit ist noch nicht viel los im Nationalpark. Die meisten Besucher haben ja eine weitere Anreise; kaum jemand wohnt so nah wie wir. So begeben wir uns zum Visitor Center. Hier beginnt der Skyline Trail, der uns heute unser Wandererlebnis bescheren soll. Tut er - aber auf ganz besondere Weise. Vorbei am Paradiese Inn geht es zum Trailhead. Dieses interessante Gebäude könnte Hollywood auch für einen Steven-King-Thriller hernehmen. Mystisch kommt es daher.
Nach kurzem Anstieg erreichen wir die Myrtle Falls. Und hier - für vielleicht 5 Minuten - zeigt uns der Vulkan einen ganz kleinen Ausschnitt seiner Gletscherflanke. Wenn ich bedenke, dass er unmittelbar vor uns liegt und uns noch um über 2.000 Meter überragt hätte ich schon gerne mehr gesehen. Aber die Aufnahmen mit Gletscherfetzen im Hintergrund machen sich auch gut. Wir unterhalten uns mit einem Ranger und der rät, eine „Abkürzung“ über den Golden Gate Trail zu nehmen. Das spart eine Stunde Wegzeit - bei dem Wetter eine ausgezeichnete Idee. Wir sind allein unterwegs hier im Nebel. Das hat auch was meditatives. Plötzlich pfeift es vor uns und zwei kleine, zierliche Murmeltiere stellen sich vor. Sie sind wirklich putzig im Vergleich zu ihren fetten Brüdern, die wir später noch treffen, aber nicht fotografieren. Da wir uns Zeit lassen und nicht aufdringlich sind, lassen sie uns erstaunlich nahe an sich heran.
Es geht über Stock und Stein bei Null Sicht immer bergan. Die gut 500 Höhenmeter kommen uns anschließend viel mehr vor - vielleicht weil nicht so viel Aussicht war. Irgendwann erreichen wir wieder den Skyline Trail, es geht aber immer noch mächtig bergauf. Am Panorama-Point gibt es - außer den Nebel des Grauens - ebensowenig zu sehen wie am „Glacier Vista“. Dafür sind die Chipmunks hier sehr aufdringlich. Eines klettert mir fast den Rücken hoch und kriecht anschließend in meine Kamera. So kann man auch an Portraits kommen. 2.146 Meter sind wir hier hoch.
Auf dem weiteren Weg treffen wir noch eine Rangerin und quatschen gemütlich. Dabei erfahren wir noch etwas zu den Lahars - ihr erinnert euch? Die Schlammlawinen von gestern! Diese sind nämlich nicht an vulkanische Aktivitäten allein gebunden. In besonders warmen Sommern schmelzen große Mengen Gletscherwasser in kurzer Zeit und dann kann es zu diesen Schlammlawinen kommen. Daher auch der Hinweis im Zimmer bei uns. Das ist ähnlich wie in den Alpen: Extremwetter birgt reale Gefahren.
Nach gut 3:40 Stunden sind wir wieder am Ausgangspunkt. Gabi ist fix und foxi und muss sich erst mal setzen. Das war es für den Moment; an weitere Touren ist nicht zu denken, wir rollen zurück zum Zimmer. Unterwegs fangen wir noch eine Nudelsuppe und einen Burrito für die Mikrowelle. Nach schnellem Mittagessen ziehe ich die Fotos auf den Mac und dann ist Mittagspause - wir sind schließlich im Urlaub.
Am frühen Abend drehen wir noch eine kleine Runde über den „Tiny Trail“ hinterm Haus. Die haben hier tatsächlich ein kleines Stück Regenwald auf dem großzügig bemessenen Grundstück. Das Abendessen nehmen wir standesgemäß im Basecamp ein. So ein außergewöhnliches Gericht wie das „Chicken Thali“ bekommen wir so schnell nicht wieder. Auch eine Neuerung - zwei Abende hintereinander die gleiche Mahlzeit. Dafür variiere ich beim Bier.
Morgen steht die Fahrt nach Portland auf dem Programm. Je nach Wetter schauen wir nochmal kurz, ob sich der Vulkan sehen lässt. Wenn nicht, liegt mit dem Mount St. Helens ein gleichwertiges Schwergewicht an der Strecke. Mal sehen, was das Wetter sagt. Optional können wir auch Portland mit seinen Microbreweries unsicher machen.
Bis dann - gute Nacht!
Tagesetappe: 68 Kilometer
Übernachtung: Alexander’s Lodge***, 237515 State Road 706 East, Ashford, WA 98304
Himalaya Basecamp

Jürgen im Wildberry Restaurant, Ashford, WA
Puh, das war ein anstrengender Tag gestern und ich habe geschlafen wie ein Murmeltier. Das Zimmer im Grey Gull inkl. Balkon ist echt klasse - es hat sogar eine Feuerstelle. Leider haben wir nicht so viel davon, weil wir gestern einfach komplett „auf“ waren und heute schon weiter fahren. Wir lassen es aber sehr ruhig angehen, heute morgen und skypen noch mit Vater und Birgit. WIFI ist auch klasse hier.
Gegen 09:00 Uhr geht es dann los - hier ist alles in doppelspurigen Einbahnstraßen mit Grünstreifen dazwischen organisiert. Na gut, Platz haben sie genug - wenige Häuser, viel Fläche. Neben dem Grey Gull sperrt ein Haifisch seinen Rachen auf. Da könnten wir frühstücken gehen, wissen aber nicht, ob wir dann nicht selbst gefrühstückt werden. Also verzichten wir.
Das erste Teilstück der Fahrt ist eher trist. Die Landschaft hat nicht viel zu bieten, das Wetter ist diesig. Es geht nach Osten. Immer wieder rollen Trucks mit Logs, also Baumstämmen, vorbei. Das ist wie gestern. Die haben echt Gewicht zu transportieren. Auf dem Foto ist ein „Kleiner“, die Großen gestern hatten 20-40 Baustämme geladen - oder aber 5 in den entsprechenden Maßen.
Erster Stop: Olympia. Dass dieses Nest die Hauptstadt von Washington ist (und nicht Seattle!) wusste ich vor einigen Wochen auch noch nicht. Aber sie haben ein stattliches Capitol hier - das kann sich sehen lassen. Weil alles eher entspannt aussieht fahren wir noch bis zur Waterfront, parken und strolchen etwas herum. So ein Mittagessen-Frühstück wäre jetzt gut. Heute Morgen hatten wir nur Kaffee und Keks, aber wir sind ja genügsam.
Da kommt die kleine Ansammlung an Food-Trucks gerade recht. Nun gut, die Tische fasst man besser nicht an, aber die Menüs sehen einladend aus und es gibt sogar die von mir so heiß geliebten Burritos beim Mexikaner. Also: ich bestelle einen (zum teilen) mit Chicken, Beef, Pork, Avocado, Beans, Reis und Salsa und lasse den natürlich in zwei Teile teilen. Wir setzen uns an einen der Tische und packen die in Alu gehüllten Hälften aus. Ich bin dabei von uns beiden ja eher der Fingerfood-gewandte Esser. Heute nicht! Meine Hälfte macht - wider aller Gesetze der Schwerkraft - einen doppelten Salto und landet - „flatsch“ - auf dem appetitlichen Tisch. Na super! Jetzt schnell sein: 30 Sekunden-Regel: alles, was weniger als 30 Sekunden Kontakt mit Dreck hat, ist unbedenklich. Ich bin schnell, so unendlich schnell. Gabi wendet sich mit Grausen ab, der Burrito-Schmied spendiert Teller und Servietten zum trockenlegen. Was soll ich sagen - ich lebe noch und lecker war das Teil auch noch.
Um 14:00 Uhr sind wir in der Alexander’s Lodge in Ashford, nur eine Meile vom Eingang zum Mount Rainier NP entfernt. Die Lodge datiert aus dem Jahre 1912 und kommt sehr schnuckelig daher. Leider ist es auch hier sehr bewölkt und bedeckt - es scheint, als habe jemand das Licht ausgemacht heute. Unser Zimmer ist noch nicht fertig und so brechen wir zu einem Abstecher zum Visitor Center in der Paradise-Area auf. Das sind ja nur 20 Meilen bergauf zu fahren. Das Visitor Center liegt auf 1.647 Metern.
Dort angekommen, beraten wir uns mit einem Ranger über das Programm für morgen. Wetterprognose: eher wie heute! Es kann sein, dass wir den Vulkangipfel als Hauptdarsteller dieses Nationalparks gar nicht zu Gesicht bekommen - obwohl wir den ganzen Tag planmäßig an seiner Flanke herumklettern werden. Ideen für ausgiebige Wanderungen haben wir jedenfalls. Wir schauen uns auch noch einen Infofilm über den Mount Rainier an. 4.392 Meter ist der hoch. Beeindruckende Aufnahmen, gute Erklärungen. Es handelt sich hier um einen bildschönen, aber auch aktiven Vulkan. Irgendwann wird er - wie der Mount St. Helens etwas weiter südlich 1980 - ausbrechen. Dann möchten wir nicht in der Nähe sein. Eindrucksvoll sind die Erläuterungen der Folgen: Ein Ausbruch würde neben der Lava auch sog. „Lahare“ (= Mudflows) erzeugen: Massen von geschmolzenem Gletscherwasser, die sich mit Schlamm vermischt ins Tal stürzen, Bäume und alles, was im Weg ist, mitreißen und 100.000enden das Verderben bringen. Gut, dass Gabi gerade im „Guest Directory“ auf dem Zimmer gelesen hat, was wir in solch einem Fall machen müssen: sammeln und auf höheres Terrain führen lassen (Tsunami-Taktik nenne ich das mal). Auf keinen Fall mit dem Auto wegfahren, denn damit flüchtet man bergab und da ist der Lahar immer der Schnellere - sogar schneller als der ultraflinke Burrito-Fänger.
Auf dem Rückweg halten wir bei den Narada Falls an und gehen ein Stück. Sehr schöne Wasserfälle mit der pitoresken Brücke obendran.
Wieder im Motel überlegen wir, wie wir es mit dem Abendessen halten. Zurück nach Ashford mögen wir nicht mehr fahren. Hier gegenüber ist das „Wildberry Restaurant“ - zunächst erkunden wir aber den kleinen Store am Parkeingang. Dort erstehe ich eine Dose Bier für heute Abend und Gabi ein paar Dosen Cider. Die Verkäuferin empfiehlt das „Wildberry“ und so steuern wir es gleich an.
Große Überraschung!! Das Restaurant wirbt draussen mit: „Featuring a taste of two worlds: Traditional Sherpa Himalayan Dishes & American Mountain Menue“. Wir bekommen einen Tisch auf der Terrasse und die Speisenkarte bietet neben interessanten Burgern tatsächlich „Sherpa-Food“. Wir bestellen „Chicken Thali“. Das ist Reis mit einem Hühnchen-Curry, einer Erbsen-Linsensuppe, etwas Rohkost, einem scharfen Möhren-Erbsensalat und einer eingelegten Habanero. Extrem schmackhaft! Das Mac & Jack’s Amber Beer passt ausgezeichnet dazu. Uns fallen die Gebetsfahnen auf, die hier hängen - wie im Basislager auf dem Everest. Und dann kommen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus: innen finden wir eine Figur mit kompletter Everest-Ausstattung sowie weiteren Utensilien aus dem Höhenbergsteigen. Die Urkunden und Zeitungsartikel rundherum beschreiben, dass der Besitzer des Wildberry, Lhakpa Gelu Sherpa (Nepal) 15 Mal (!) als Sherpa mit auf dem Gipfel des Mount Everest war (10 Mal über die Süd- und 5 Mal über die Nordroute). Zudem war er am 26. Mai 2003 mit 10 Stunden, 56 Minuten und 46 Sekunden der schnellste Mensch, der je vom Basislager auf den Gipfel des Mount Everest gestürmt ist. Unfassbar!! Das ist genau das Richtige für mich - interessiere ich mich doch sehr für die Geschichte und Technik zur Besteigung dieses besonderen Berges. Auf dem Gipfel des Mount Rainier war er übrigens schlappe 95 mal.
Und so hatten wir heute nicht nur die erste Akklimatisation am Mount Rainier, sondern auch noch das echte „Basislager-Feeling“ mit authentischem Sherpa-Essen und erstaunlicher Begleitgeschichte. Ich bin begeistert.
Nun habe ich wieder viel mehr geschrieben, als ich wollte. Hoffe, es gefällt euch dennoch. Und jetzt ist Feierabend - mal sehen, ob das WIFI zum Upload reicht - es ist eher schwach auf der Brust, mal sehen.
Gute Nacht wünscht Sherpa Jack MacBaetz.
Tagesetappe: 288 Kilometer
Übernachtung: Alexander’s Lodge***, 237515 State Road 706 East, Ashford, WA 98304
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