Tagebuch




To the waters and the wild

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Jürgen an den Burney Falls, McArthur Burney Falls Memorial SP, CA

Nach sehr gutem Frühstück steuern wir den McArthur Burney Falls Memorial State Park an. Den hatten wir vor Jahren schon im Auge - er lag bei unserer Stippvisite in Redding dann aber leider doch zu weit weg. Jetzt, mit den Übernachtungen in Redding, ist die Stunde Fahrtzeit bis zum Statepark (10 $) schnell gefahren. Auf dem Weg stoppen wir an einem Viewpoint - wie gehabt: Vulkane erkennt man hier schon an ihrer Form. Auf dem Bild: „Burney Mountain“.

Wir gehen den Burney Falls Loop Trail. Der beginnt oben am Overlook, wo ich zum ersten mal das Stativ und die Graufilter auspacke. Sehr schöne erste Ansicht! Dann geht es nach unten, an den Fuß der Fälle - beeindruckend und gigantisch. Je näher dran, umso mehr „spray“. Sogar ein Angler hält sich tapfer hier unten in der Gischt.

Die Fakten: Höhe: 40 Meter, Tiefe des Pools: 6,7 Meter, Wassertemperatur: 5,5 bis 8,8 Grad Celsius. 378 Millionen Liter Wasser stürzen sich hier jeden Tag (!) in die Tiefe. Das Naturerlebnis ist großartig: die frische Luft, die Wärme, die kalte Gischt der Wasserfälle, der ohrenbetäubende Sound. Aber dennoch: alles sehr friedlich! Normalerweise ist der Park stark frequentiert - wir sind aber offensichtlich schon in der Nebensaison. Das gefällt uns sehr.

Auch der weitere Weg über den Loop-Trail, eine Brücke und wieder hoch an die Wasserfälle ist besonders ruhig und ansehnlich. Herbstfarben tun sich auf. Vögel fliegen umher, außer uns: niemand zu sehen. Oberhalb der Fälle fließt der Fluss (was soll er auch sonst tun?) In aller Ruhe seinem Sturzflug entgegen.

Wir halten ein kleines Obstpicknick und überlegen, was nun zu tun ist. Gabi hat in einer Zeitschrift vom „Castle Craggs SP“ mit schönen Ausblicken auf den Mount Shasta gelesen. Das ist nur ein kleiner Umweg - versuchen wir. Die Fahrt dahin alleine ist schon Klasse. Zwischendurch eine Baustelle - die gibt es hier häufiger. Immer sind sie sehr gut angekündigt. Und immer steht ein „Flagman“ oder eine Frau dort und stoppt dich. Meist kommt dann auch ein Pilotfahrzeug, dass die wartende Gruppe durch die Baustelle führt. Super organisiert; und: hier siehst du, dass sie mit aller Kraft daran arbeiten, schnell fertig zu werden. Oft wird das flankiert von Schildern: „Your taxes at work!“ Finde ich passend!

Dann kommt die Sekunde, in der uns der Mund offen steht: lange Straße, nur geradeaus. - bis zum Horizont. Sie schwingt sich achterbahnmäßig auf und ab. Rechts und links: dichter Wald. Voraus, mitten zwischen den Wipfeln: der Mount Shasta mit seiner Schneekuppe - kristallklar, kein Dunst. Das ist ein atemberaubendes Bild. Ich schwimme wie immer im fließenden Verkehr mit, allerdings gerade im Moment als „Führungsfahrzeug“ nach der Baustelle eben. Als ich darüber nachdenken, wie ich das wohl aufnehmen würde (lange Brennweite, um die Straße zu verdichten und den Vulkan noch größer erscheinen zu lassen) ist die Chance auch schon vertan und ich habe nicht entschieden, nochmal umzudrehen und das Bild zu machen. Sorry - stellt es euch bitte vor.

Der „Castle Craggs SP“ ist leider geschlossen - auch dort: Bauarbeiten - Nebensaison. Schade, aber nicht wirklich schlimm. Auf dem weiteren Heimweg kommen wir am Shasta Lake und dem Shasta Dam vorbei. Dann nehmen wir den halt mit. Gute Idee - wir sehen uns im Visitor Center den obligatorischen Film an - sehr gut! Und dann gehen wir noch in der Hitze bis zum Mitte des Damms und blicken hinab. Auf der einen Seite: der blaue See mit dem Mount Shasta im Hintergrund. Auf der anderen Seite: die Technik, das „Power-House“. Der Damm wurde in den 1930ern gebaut. Ziel: das Wasser zu bändigen. Später dann: das Wasser zu verteilen und Nordkalifornien fruchtbarer zu machen. Hat geklappt. - von den Weinanbauregionen bis zum Central Valley. Dann kam noch die Energiegewinnung dazu - von dem Kraftwerk profitieren sie über die Grenzen San Franciscos hinaus.

„Zu Hause“ gehen wir an die Bar: happy hour. Es gibt Margarita für Gabi und ein frisch Gezapftes für mich. Wir beginnen mit den Fotos, geraten dabei aber unweigerlich in ein Gespräch mit einem Paar aus Las Vegas nebenan. Wir quatschen - schön wie immer. Die Themen: nicht nur einfach: Putin, Europa, die USA, das „Miteinander“ - der kommende Winter in Germany. Die Diskussion ist so bewegt, dass ich mein Bierglas umhaue. Scherben, Pfütze - ich bekomme ein Neues. Und irgendwann landen wir dann doch wieder bei unserer Website, den Fotos, Reiseerlebnissen etc. Einfach nur schön!

Noch in der Bar bestelle ich online eine Pizza bei Dominos. Damit die armen Hühner nicht umsonst gestorben sind, Order ich als Beilage noch 6 Chickenwings dazu. 20 Minuten später klopft es an der Tür: Essen ist da. Gabi mach ein Foto, auf dem es so aussieht, als lägen Tiny Little Bear und ich zu Tisch. War nicht so - und es war wie immer mega lecker und sehr „reichhaltig“!

Heute auf dem Loop-Trail im Burney Falls SP stand eine Bank. Diese war geziert von einem Zitat: „Come away, o human Child - to the waters and the wild!“ Das ist das Motto unseres Tages: zu den Wassern und in die Wildnis. Was werde ich das vermissen nächste Woche!


Tagesetappe: 302 Kilometer
Übernachtung: Best Western Plus Hilltop Inn***, 2300 Hilltop Drive, Redding, CA 96002

Druck auf dem Kessel

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Gabi auf dem Bumpass Hell Boardwalk, Lassen Volcanic NP, CA

Ob dieser Tag mal schnell erzählt ist? Vielleicht. Klar ist: „it was a perfect day“. Weather: perfect! Trails: perfect! Views: Postcarts! Nature & Feeling: perfect!

Nach einem sehr guten Frühstück brechen wir auf. Die Fahrt Richtung Osten dauert rund eine Stunde und ist wirklich sehr schön. Es geht zunächst durch die Ebene und dann wieder durch viel Wald bergan. Achterbahn! Eggs, Bacon & Hashbrowns des Frühstücks wippen mit dem Wagen im Magen auf und ab.

Der Lassen Volcanic NP ist glücklicherweise auch ein eher nicht so überlaufener Park. Das ist super, macht es doch alles so entspannt. Erster Stopp: Das Visitor Center am Manzanita Lake. Geplant hatten wir hier die komplette Runde um den See, denken aber angesichts der Temperaturen daran, eher nur kurz ein Foto zu machen. Geht nicht! Wir machen die komplette Wanderrunde rund um den See und haben anschließend gut 5 km auf der Uhr. Die Aussichten über den See auf den Lassen Peak (3.187 Meter) sind wunderbar.

Der Lassen Volcanic Highway führt rd. 30 Meilen durch den Park. Am „Wegesrand“: viele Möglichkeiten. Wir machen den „Devasted Area Loop Trail“, der durch die Steinwüste des letzen Ausbruchs von 1915 führt, außer einem erhabenen Ausblick auf den Lassen Peak für uns aber nicht so viel zu bieten hat.

Kurz hinter dem Lake Helen (Foto!) ist der Trailhead zum „Bumpass Hell“. Den Trail haben wir uns schon zu Hause ausgesucht und ohne ihn wäre der Tag nicht perfekt gewesen.

Es sind wieder gut 5 km zu gehen und die Ausblicke auf die umliegende Vulkanberglandschaft ist überwältigend. Schaut bitte mal: da ist ein Bild mit einer Tafel im Vordergrund, die beschreibt, wie die Aussicht hier vor 250 Millionen Jahren war. Und nun vergleicht die Tafel mit der Aussicht heute: stellt euch vor, es wäre ein Vulkan da, der vom linken Bildrand bis Mitte oben und dann wieder bis zum rechten Bildrand unten reicht. So war es! Der ist nur hochgegangen und sein Ausbruch, Erosion, Wind, Wasser etc. haben ihr übriges getan, um ihn verschwinden zu lassen.

Dann erreichen wir „Bumpass Hell“ - für mich so etwas wie „Mini-Mini-Yellowstone“. Farbintensiv! Ein Boardwalk führt uns an den blubbernden Schlammtöpfen und farbigen (Schwefel - den riecht man hier auch intensiv) Felsen vorbei. So schön, dass hier nicht zu viele Leute rumlaufen.

Abweichen vom Weg: nein - besser nicht. Ein eindrucksvolles Foto (so was plastisches kenne ich sonst nur aus der Zeitschrift „Rettungsdienst“) zeigt, wie dein Fuß aussieht, wenn du vom Weg abweichst, einbrichst, und „gekocht“ wirst. Noch schlimmer: In den 1860ern hat Kendal Bumpass hier als Guide Reportern die Gegend gezeigt. Er ist dabei vor den Augen der Medienvertretern eingebrochen und bei lebendigem Leib verbrüht. Unschön - sehr unschön!

Auch beim letzten Stopp (die letzen 4 Fotos) wird die Naturgewalt deutlich. Hier „kocht“ unmittelbar vor unseren Augen, ein „Mudpod“ (Schlammloch). Und gegenüber noch eines.

Im „Kohm Yah-mah-nee Visitor Center“ (Schneeberg - Name der Ureinwohner dieser Gegend für diese Landschaft) am südlichen Ausgang des National Parks schauen wir uns noch einen der 20-minütigen, sehr eindrucksvollen „Erklärfilme“ an.

Das ist so ein Tag, der mich total begeistert. Er hat mir sehr schöne Wanderungen beschert mit tollen Ausblicken und Möglichkeiten, schöne Fotos zu machen. Er hat mir aber auch gezeigt, wie klein wir Menschen in der Erdgeschichte sind. Eigentlich (und das ist hart) zählen wir: nix!

Die Erde hat ihre Phasen und Gesetze. Sie hat schon alles mögliche mitgemacht und sehr kalte und sehr heiße Zeiten erlebt. Die Erde „denkt“ nicht in Abschnitten wie „100 Jahre“ oder „1.000 Jahre“. Ihre Zeiträume sind länger, viel länger. Und: das Leben hat seinen Weg gefunden. Wir Menschen sind ein Teil davon, aus Sicht der Erde aber nur Beiwerk - so sehe ich das inzwischen.

Ich weiß nicht, wie ihr das seht (oder du,.liebes Tagebuch). Aber ich bin dankbar für jeden Tag, den wir uns hier auf diesem schönen Planeten gestalten können. Was nach uns kommt? Wer weiß?Aber: das Leben findet seinen Weg!

Wir kaufen im Safeway Salat, Wraps und Chicken-Wings und verputzen das auf dem Zimmer. Heute kein Chinese. Super gut: im Safeway kannst du dich kostenlos gegen Grippe impfen lassen und bekommst dann 10% auf deinen Einkauf. So kann man seine Gesellschaft auch immunisieren. Finde ich bemerkenswert und ich habe es mit eigenen Augen gesehen.

Ein schnelles Bier an der Best-Western-Bar, die um 20:00 Uhr schließt. Jetzt ist Feierabend. Nochmal: was mich heute total berührt hat, war die „kochende Erde“ vor meinen Füßen. Die hat hier echt „Druck auf dem Kessel“.


Tagesetappe: 254 Kilometer
Übernachtung: Best Western Plus Hilltop Inn***, 2300 Hilltop Drive, Redding, CA 96002

Summertime ...

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Gabi am Whiskeytown Lake, Redding, CA

… and the living is easy! Das war wirklich ein „lazy sunday“ heute. Und wir haben definitiv den Sommer zurück - klasse für die verbliebenden Tage hier in Kalifornien.

Das Best Western bietet hier einen besonderen Service, den wir nicht genutzt haben: Man kann sich abends kostenlos zum Essen in die Downtown fahren und auch wieder abholen lassen. Das bescheidene Gefährt steht immer startbereit. Gestartet sind wir heute morgen nach ausgefallenem Frühstück. Da war uns definitiv zu viel los im kleinen Frühstücksraum. Die Schlange war zudem zu lang. So füllen wir nur unsere Yeti-Becher mit viel Kaffee (da geht über einen halben Liter rein) und fangen beim Tanken ein Sandwich. Die Spritpreise sind in Kalifornien hier deutlich höher. In Washington haben wir noch unter 4 $ für die Gallone gegeben, in Oregon kletterte es dann über die 4 $-Marke (dafür wird man hier von einem freundlichen Tankwart bedient) und jetzt sind wir bei rd. 6,50 $. Da das aber immer noch für rd. 3,8 Liter gilt ist es noch erträglich.

Die Fahrt ist heute reiner Genuss: der CA-Hwy.#299 führt in endlosen Schwingungen von einer Passhöhe zur nächsten. Schön: sobald wir Eureka verlassen haben uns uns gen Osten wenden verschwindet der Nebel und blauer Himmel zeigt sich. Auf der Strecke: nur schöne Aussicht und mal ein Fluss am Wegesrand. So lässt es sich fahren. Nur 3 Orte durchfahren wir: Willows Creek (ein Nest), Big Bar (Population: 38 - hier kennt jede/r jede/n) und Weaverville. Hier machen wir einen kurzen Boxenstop. Der Ort besteht auch nur aus der Main Street. Mehr als auf den Bildern zu sehen gab es nicht. Auch hier bereitet mach sich schon auf Halloween vor. Und an einer BBQ-Bar machen sie draussen Breakfast-BBQ. Da lassen wir uns ein Breakfast-Sandwich grillen. 5 $ sind fair für 2 Spiegeleier, 2 Scheiben Cheddar und 3 Scheiben Bacon zwischen zwei Burger-Buns.

Und so erreichen wir völlig relaxed die „Whiskeytown Recreation Area“. Hier sind wir richtig! Am Visitor Center kaufen wir wie üblich die Sticker fürs Sammelalbum und lassen uns beraten. Nochmal am See zurück: die „Crystal Creek Falls“. Schön - und einsam. Auf Klapperschlangen, Bären und Jaguare müssen wir jetzt wieder besser acht geben, besonders auf die erstgenannten. „Watch your steps“.

Zurück zum Titel: „Summertime!“. Ja meine Hacke: sind wir heute morgen in Eureka bei 14 Grad Celsius gestartet so zeigt das Thermometer jetzt knackige 37 (!) Grad. Das ist warm - nein: das ist heiß! Lange Wanderungen sind nicht drin heute - aber auch nicht geplant.

Check-in im Best-Western Hilltop Inn - Zimmer wie erwartet. Es ist noch zu früh - einen haben wir noch: den Kurztrip (1,5 Meilen) zur Sundial Bridge, dem Wahrzeichen von Redding. Mit einer Länge von 213 Metern überspannt sie den Sacramento-River. Das Besondere: sie ist eine Sonnenuhr (allerdings nur von 11 Uhr morgens bis 15 Uhr nachmittags). Und sie hat einen ganz glatten Glasboden. Hier kommen nur Fußgänger, Radfahrer und Skater rüber. Es ist Sonntag und dennoch nix los. Dazu ein riesiger Parkplatz - kostenfrei.

Auf dem Weg zurück zum Hotel noch ein kurzer Stop bei Safeways - in Ami-Land kannst du 24/7 einkaufen. Wir benötigen neues Obst etc.

Jetzt ist es 18:15 Uhr und in ca. 15 Minuten dürften die „Hausaufgaben“ erledigt sein. Die beste Ehefrau von allen wird diesen Bericht nur Korrektur lesen - wie immer. Und danach lade ich alles hoch - wie immer. Der Workflow „fluppt“ inzwischen - auch wenn es immer noch viel Aufwand ist, der aber nach wie vor Spaß macht. Gegen meine übliche Arbeit ist es ja immer noch wirklich entspannend …

Dann gehen wir die Straße rüber zum Chinesen was essen. Und die Hoteleigene Bar sieht aus wie ein guter Ort für einen kleinen Absacker. Es ist Sonntag - aber ist im Urlaub nicht jeden Tag Sonntag? Ich glaube ja. Und das ist gut so - der Gürtel wird schon früh genug wieder enger geschnallt.

PS: wenn einer eine Reise tut … - genau; und heute geht es um den Chinesen gegenüber. „Golden Star Chinese Food“ heißt der und ich habe mir extra ein frisches Hemd angezogen. Sieht von außen aus, wie ein chinesisches Restaurant. Wie auch sonst? Drinnen auf den ersten Blick auch. An der Seite: Booths wie man das aus amerikanischen Diners kennt. Aber sonst? Theke: lang, aber leer. Raum: groß, aber keine Stühle, nur welche am Rand. Zentral: Tische mit "Pick me up"-Schild. Überhaupt: keine Gäste; also „überhaupt keine Gäste!“

Nun ja, dann können wir uns immerhin schon mal nicht infizieren mit Corona hier. Wir schnappen uns eine Booth, der Kellner bringt 2 Karten - Flyer wie vom „Hol-mich-ab-Chinesen“. Wir bestellen: 4 kleine Frühlingsrollen als Vorspeise, Gabi Chicken mit fried noodles, ich: Prawns Kung Pao (scharf!). Ok, so weit. Dann stellen wir fest: es IST ein „Hol-mich-ab-Chinese“. Aber warum zu Teufel haben die dann so einen riesigen Laden? Die fleißige Ehefrau (des Chinesen!) schleppt andauernd geknotete Tüten mit massiven Inhalten aus der Küche in das Großraumbüro. „Er“ tippt ständig auf seinem Bildschirm rum. Von draussen huschen immer wieder Gestalten rein, setzen sich auf die Stühle am Rand, schnappen sich Tüten und verschwinden wortlos. Klar: die bestellen online, haben bezahlt und holden nur ab. Wir sind die einzigen, die „normal“ essen. Sind wir nicht! Doch, schon: die einzigen. Aber eben nicht „normal“.

Das Essen kommt: und wir machen die dümmsten Gesichter des Urlaubs. Der Kellner stellt doch echt eine riesige „Hol-mich-ab-Chinesen-Tüte“ auf unseren Tisch, murmelt so was wie „Sorry, aber wie haben keine Teller und sonst isst hier auch nie jemand was und es tut mir leid aber wir haben auch kein Besteck, doch es ist alles in der Tüte und ich hoffe es schmeckt euch und wenn ihr noch was braucht dann meldet euch und guten Appetit und eigentlich spreche ich auch kein englisch!“ - oder so.

Wir sind FASSUNGSLOS! Dann lachen wir uns schlapp, packen alles aus und essen. Gabi kippt ihr Chicken-Gericht aus einem Eimer auf die Nudeln. Schaut die drei Bilder, die sagen alles! Das war echt lecker. Gut: „Kung Pao“ kommt ohne Reis daher, hat aber sehr viele Riesengarnelen. Sehr viele! Und viel Paprika, Zwiebeln, Möhren, Staudensellerie, Nüsse und: Chilis! Zwei ganze habe ich rausgefischt (und ich meine die großen, roten, getrockneten, gemeinen Biester). Es waren aber mindestens 10-20 gehackte in der reichhaltigen Soße. Ich habe geschwitzt wie sonst beim Peloton-Fitness-Test nicht. Ehrlich: ich habe gedacht, ich müsste duschen gehen, bevor ich zum Bier in die Bar komme. Habe ich geschwitzt! Aber es war saulecker - nur völlig absurd. Wahrscheinlich war das aber das bisher gesündeste Essen der Reise.

Nun, nach einem Bier der „Seismic Brewery Co“ und einem „Hazy IPA“ an der Hotelbar bin ich wieder im Lot. Und draussen sind es angenehme 29 Grad.

Ich hoffe mal, dass wir uns hier nicht erkälten: Auto: Klimaanlage, 22 Grad. - raus: puh, 37 Grad. Rein: 22 Grad - raus: puh, 37 Grad. Rein ins Zimmer: puh, 14 Grad (Klimaanlage höher stellen!). Raus: puh, 37 Grad - rein beim Chinesen: puh, 18 Grad. Raus: puh, 31 Grad. Rein in die Bar: puh, 18 Grad, raus: 29 Grad - rein ins Zimmer: gut: 22 Grad. Gute Nacht sagt Pu(h), der Bär, das Plappermaul!


Tagesetappe: 137 Kilometer
Übernachtung: Best Western Plus Hilltop Inn***, 2300 Hilltop Drive, Redding, CA 96002

Volcano

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Jürgen auf dem Obsidian Flow Trail, Newberry National Volcanic Monument, OR

Die „Cascade Lodge“ ist wirklich ok, das Zimmer geräumig und die Einrichtung - na, sagen wir mal: postmodern, aber sehenswert. Vielleicht mache ich morgen mal ein Foto vom Waschbecken. So haben wir auch gut geschlafen und da Urlaub ist, beginnt der Tag nicht hektisch, sondern mit zwei Meditationen mittels Peloton-App. Das haben wir uns so angewöhnt.

Zum Beginn unserer Tour haben wir einige Stationen vor: zunächst geht’s zum nahe gelegenen Safeway. Unser Obst ist alle und ein Sandwich für später sowie einen Breakfast Burrito für mich und einen süßen Donut für Gabi zum Sofortverzehr. Dann statten wir Downtown einen ersten kurzen Besuch ab. Im Visitor Center lassen wir uns beraten, ob wir mit unseren Planungen für heute und morgen richtig liegen. Ja, tun wir - es gibt aber noch ein paar wertvolle Hinweise zusätzlich. So ist eine ganze Region hier aktuell gesperrt: heftige Waldbrände. Kann man nichts machen - das Feuer ist aber weitestgehend unter Kontrolle. Nächster Stop: Nike Outlet. Das liegt an der Route, die wir heute sowieso fahren, macht aber erst um 12 Uhr auf. Mittags werden wir wieder dran vorbei kommen - Gabi muss doch endlich eine neue Basecap bekommen.

10 Meilen südlich von Bend erreichen wir das Newberry National Volcanic Monument. Hier werden wir heute einige Zeit verbringen. Im Visitor Center bekommen wir Hinweise auf Dinge, die wir uns unbedingt ansehen sollen. Draußen beginnt gerade ein Ranger Talk - das ist genau unser Ding. Spätestens jetzt haben wir das von uns so sehr geschätzte National-Park-Feeling. Wir erfahren viel Neues - insbesondere über den Newberry Volcano und seine Ausläufer. Vieles wissen wir aber auch schon - Hawaii hat uns da sehr geholfen. Hier im Bereich des Visitor Centers sind eher die Ausläufer des Vulkans zu sehen: jede Menge Lava und einer von über 400 „Cinder Cones“, die der Vulkan geschaffen hat. 1,5 Meilen unter uns sind auch heute noch riesige Magma-Kammern und wenn der Druck auf dem Kessel zu groß wird und irgendwo eine Schwachstelle ist dann gibt es einen „kleinen“ Ausbruch und es entsteht so was wie ein großer Pickel - ein Cinder Cone. Der besteht aus Asche und Lava und unserer hier ist 1.500 Jahre alt.

Wir können anschließend sogar mit dem Auto hinauf fahren. Obwohl der gar nicht so riesig hoch ist haben wir von dort tolle Ausblicke auf weitere Vulkane, Cinder Cones und den Hwy #97, der Bend mit dem Park verbindet.

Zugig ist es dort oben. Das Wetter ist wechselhaft. Mal blauer Himmel, dann wieder Wolken.

Weitere 24 Meilen südöstlich erreichen wir den Paulina Peak und den gleichnamigen See. In der Caldera des Vulkans sind nach dem letzten Ausbruch 2 Seen übrig geblieben: der Paulina Lake und der East Lake. Vorher war es ein See, doch der letzte Ausbruch hat einen weiteren Kegel in die Mitte der Caldera gesetzt, so dass es nun 2 Seen sind. Vulkane verändern das Aussehen der Landschaft oft sehr schnell - das kann man hier gut sehen.

Etwas besonderes gibt es hier oben auch: den „Big Obsidian Flow“, über den auch ein Trail führt, den wir unter die Füße nehmen. Wir kraxeln auf einem riesigen Glasberg herum. Eine Erklärungstafel habe ich mal fotografiert und bei den Fotos platziert. Kurzfassung: das Gestein hat hier einen hohen Silicium-Gehalt und als der Vulkan das ausspuckte, blieb ein großer Glasberg übrig. Das Glasgestein hat hier drei Farben: schwarz (das ist dann of richtig glatt), hellgrau und dunkelgrau (das hat mehr Lufteinschlüsse). Wir müssen schon höllisch aufpassen, uns hier nicht zu verletzen an den messerscharfen Steinen. Es macht aber viel Spaß, den Trail zu erkunden. So etwas haben wir noch nicht gesehen und das ist auch normal, denn solche Obsidian-Flows sind extrem selten.

Am Paulina Lake finden wir ein nettes Plätzchen für das Sandwich-Picknick. Und Gabi macht wieder Fotos von Tiny Little Bear. Die findet ihr regelmäßig in ihrem WhatsApp-Status. Schließlich steuern wir noch die Paulina Falls an, die deutlich größer daherkommen, als von uns vermutet. Erst haben wir einen Viewpoint von oben, dann gehts es 400 Feet hinunter an den Fuß der Fälle. Gabi kraxelt auch hier ganz schön herum.

Am Parkplatz gesellt sich ein neugieriger, blauer Vogel zu uns - hübsch! Weniger hübsch ist der Blick auf meine Tankuhr. Die habe ich schon den ganzen Tag auf dem Kieker. Als wir Bend und die letzte Tankstelle schon weit hinter uns hatten fiel mir ein, dass ich noch tanken wollte heute morgen. Und seitdem rechne ich, ob das noch klappt mit dem Rückweg. Vorsichtshalber habe ich die Klimaanlage schon mal abgeschaltet. Und es waren immer noch mindestens 15 Meilen „Reserve“ bei den Rechnungen vorhanden. So erreichen wir dann später auch die rettende Tankstelle in Bend und sind jetzt wieder gerüstet für neue Unternehmungen.

Gabi hat ihre Basecap bekommen und dazu noch ein paar Sportklamotten von Nike. Das Auto hat jetzt Pause. Wir wollen zu Fuß nach Downtown.

Das sind gut 2 Kilometer, die wir zu gehen haben und sowas macht hier sonst eher keiner. Der Kollege an der Rezeption hat mich gestern für völlig bekloppt gehalten, als ich fragte, ob man zu Fuß dort hin kommt. Wir müssen nämlich den Hwy. 97 queren etc. Kurz: hat gut geklappt und wir machen erste Rast in der „McMenamins Old Francis School Brewery“. Uriger Schuppen, gutes Bier. Dann steuern wir die Deschutes Brewery an, finden einen Platz an der Theke und ich gönne mir eine von zwei möglichen Bierproben: 6 Gläschen mit unterschiedlichen Bieren der Brauerei, deren Kessel wir von der Theke aus sehen können. Lecker! Kurzbezeichnungen wie „Prinz Crispy“, „Otter Encounter“, „Check you Hefe“ oder „Pineapple Whip“ machen schon neugierig. Die sechs Bierchen werden (je höher die Nummer) immer bitterer und alkoholischer. Das letzte hat satte 8,5%. Und aus dem Wash des beliebtesten Bieres machen sie sogar einen 5-jährigen Whisky, den Gabi probiert. Den gibt es sogar aus einem ordentlichen Nosingglas - allerdings in doppelter Portion. Der Barman meint es gut mit uns.

So treten wir später etwas „tipsy“ den Heimweg an. Dabei müssen wir nochmal über die fünfspurige Straße. Ich quere die gleich noch 4 Mal, denn ich ordere eine Pizza gegenüber bei „Domino’s“ unserer Lieblingskette. Da eine Wartezeit von 45 Minuten zu überbrücken ist, hüpfe ich schnell zurück ins Zimmer, um mich um die Fotos zu kümmern. Die Pizza war wie immer super und alles andere (Fotos, Tagebuch und Website) muss nun bis morgen früh warten. Müde! Gute Nacht!!


Tagesetappe: 140 Kilometer
Übernachtung: Cascade Lodge****, 420 Southeast 3rd Street, Bend, OR 97702

Vertcal World

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Jürgen im Hoh Rain Forest, Spruce Nature Trail, Olympic NP, WA

Die Nacht im Aircrest Motel war recht gut - ganz anders das Internet. Nicht vorhanden, würde ich mal sagen. Keine Chance, die Website hochzuladen. Na dann später - hoffentlich. Wir sind schnell fertig, zum „Frühstück“ gibt’s hier Kaffee, den wir in unsere Yeti-Becher zapfen. Da bleibt er bis mittags heiß.

Ich bin gedanklich schon im Wald, doch Gabi möchte unbedingt noch kurz zur Marina. Gute Idee - zumal die gleich um die Ecke ist. Die Möwen haben wir schon im Motel schreien hören. Bis auf das Möwengeschrei ist es aber sehr ruhig an der Marina. Der Tag erwacht gerade erst um 07:30 Uhr. Wir schlendern über den Hollywood Beach, statten dem City Pier einen kurzen Besuch ab und fangen Sandwiches und einen Blueberry Lemon Crumble Muffin (hab ich mir gemerkt, den Namen - jawohl!) für Gabi. Alles selbstgeknetet, geformt und an den Start gebracht von der netten Melanie.

Wenige Augenblicke später sind wir auf dem Highway No. 101, der heute den größten Teil der Strecke unser Freund ist. Schon bald biegen wir ab in das romantische Elwha River Valley. Hier erwartet uns der erste Wasserfall unseres diesjährigen Aufenthaltes - die Madison Falls. Auf dem Weg durch den verwunschenen Wald mit den riesigen Bäumen fragt Gabi, ob ich das Mottolied dieses Waldes kenne? Genau: Fragezeichen! Da singt sie: „Was müssen das für Bäume sein, wo die großen E-le-fan-ten spa-zier-en-gehn, ohne sich zu stoßen?“ Ich werde wahnsinnig - da pflanzt sie mir früh morgens so einen alten Ferienlagergassenhauer ein. Den Ohrwurm werde ich jetzt den ganzen Tag nicht mehr los! Na warte …

Hatte ich die Kernelemente der aktuellen Tour genannt? Hier sind sie: Bäume, Berge, Wasserfälle, Beaches und Vulkane. Heute gibt es einige davon - vor allem Bäume und Wasserfälle. Irgendwie gucken wir den ganzen Tag staunend nach oben. Ich muss mich wirklich zwingen, auch mal ein horizontales Foto zu machen. Die Kamera schwingt immer ganz von selbst in die Vertikale. Nicht typisch für Landschaftsfotos, der „Portraitmodus“ - heute schon: vertical world!

Hier ist noch gar nichts los um diese Zeit. Das ist genau richtig, um sich mal wieder an die Fotografie mit Graufilter zu gewöhnen: Stativ aufbauen, Kamera drauf, ISO („Filmempfindlichkeit“) auf 100 fix, Ausschnitt und Blende wählen, fokussieren, Belichtung merken. Belichtung, ISO und Blende unter Angabe der Stärke des Graufilters (heute mal 8-fach) in eine passende App auf dem iPhone eingeben (damit man nicht alles selber rechnen muss). Belichtungszeit ablesen und Blende und Zeit im manuellen Modus an der Kamera eingeben. Graufilter draufschrauben, ohne etwas zu verwackeln (apropos: Verwacklungsschutz am Objektiv ausschalten) und dann - auslösen. Für den nächsten Bildausschnitt alles wieder von vorn. Von wegen knipsen - Fotografie ist mit Arbeit verbunden! Aber so gelingen diese schönen, lang belichteten Aufnahmen mit „fließendem“ Wasser und glatten Wasseroberflächen.

Nächster Stop: der Lake Crescent. Hier beginnt der Marymere Falls Trail zu den gleichnamigen Wasserfällen. Wieder sehr schön und am Ende statten wir der Lodge und dem See noch einen Besuch ab.

Dann steht das Sol Duc Valley an - wieder geht es einige Zusatzmeilen in ein Nebental. Wir schwingen sanft im Auto über die gewundene Straße dahin. Eva Cassidy sing zwei ihrer traurigen Lieder, begleitet nur von einer schönen akustischen Gitarre. Da meint man zu schweben in diesem Zauberwald. Und dann gesellt sich wie durch ein Wunder noch die schöne Instrumentalfassung von „Moon River“ hinzu, die ich im April bei einigen besonderen Momenten des Abschieds von einem ganz lieben Menschen gespielt hatte. Für einen längeren Moment sind wir nicht mehr allein im Auto unterwegs …

Bei den Salmon Cascades machen wir Halt. In den Stromschnellen kann man zur richtigen Jahreszeit Lachse springen sehen - heute machen nur die Stromschnellen Eindruck. Gabi schaut sie sich von einem erhöhten Standpunkt aus an -ich klettere hinunter und komme dem Wasser sehr nahe. Die Sol Duc Falls müssen wir diesmal ausfallen lassen - keine Parkmöglichkeiten und die Zeit wird irgendwann knapp.

Am Pleasant Lake legen wir eine kurze Mittagspause ein und verputzen Sandwich und Obst.

Den Hoh Rain Forest mussten wir 2018 auslassen, weil er gesperrt war. Heute ist offen und das nutzen wir trotz der fortgeschrittenen Zeit aus: nur 15 Minuten Wartezeit am Einlasshäuschen - aber die 20 Meilen bis zum Trailhead waren schon jede Mühe Wert: tolle Strecke!! Wir nehmen den Hall of Mosses Trail und den Spruce Nature Trail unter die Wanderstiefel - die tatsächlich in den Koffer gepasst haben. Die werden uns gute Dienste tun, denn Wanderungen soll es einige geben dieses Jahr. Die beiden Trails sind wirklich atemberaubend. Bemooste Bäume überall, sattes Grün, viele Farne, auf Fallholz wachsen neue Bäume etc. Das Stativ tut wieder seine Dienste und um 17:00 Uhr sind wir fertig - im wahrsten Sinne des Wortes.

Nun noch 2,5 Stunden Autofahrt bis Ocean Shores - weitere Stopps erübrigen sich. Wir sind froh, als wir das Motel gegen 19:20 Uhr erreichen. Wir bekommen ein tolles Zimmer und kurven gleich weiter zu Bennet’s Fish Shack. Hier am Pazifik muss es Fisch sein heute Abend. Besser: Fish & Chips & Prawns & Käse mit Jalapenos - alles (wirklich alles!) frittiert. Dazu ein Bier. Schnaps wäre jetzt nicht schlecht, aber ich muss ja noch die paar Meter zum Motel zurück. Für einen Verdauungsschnapps würde ich selbst jetzt, 2 Stunden später noch was geben.

Das war ein supertoller Tag, wenn auch ganz schön anstrengend. Das WIFI im Grey Gull Motel ist klasse. Als wir essen waren habe ich die Inhalte von gestern schon hochgeladen. Jetzt folgen Fotos und Tagebuch von heute. Dann werden wir ins Bett fallen - ab in die Horizontale! Morgen wartet der erste Vulkan, da freuen wir uns schon jetzt.

Tagesetappe: 383 Kilometer
Übernachtung: Grey Gull***, 651 Ocean Shores Boulevard Northwest, Ocean Shores, WA 98569

© 2022 Gabi & Jürgen