Tagebuch




Druck auf dem Kessel

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Gabi auf dem Bumpass Hell Boardwalk, Lassen Volcanic NP, CA

Ob dieser Tag mal schnell erzählt ist? Vielleicht. Klar ist: „it was a perfect day“. Weather: perfect! Trails: perfect! Views: Postcarts! Nature & Feeling: perfect!

Nach einem sehr guten Frühstück brechen wir auf. Die Fahrt Richtung Osten dauert rund eine Stunde und ist wirklich sehr schön. Es geht zunächst durch die Ebene und dann wieder durch viel Wald bergan. Achterbahn! Eggs, Bacon & Hashbrowns des Frühstücks wippen mit dem Wagen im Magen auf und ab.

Der Lassen Volcanic NP ist glücklicherweise auch ein eher nicht so überlaufener Park. Das ist super, macht es doch alles so entspannt. Erster Stopp: Das Visitor Center am Manzanita Lake. Geplant hatten wir hier die komplette Runde um den See, denken aber angesichts der Temperaturen daran, eher nur kurz ein Foto zu machen. Geht nicht! Wir machen die komplette Wanderrunde rund um den See und haben anschließend gut 5 km auf der Uhr. Die Aussichten über den See auf den Lassen Peak (3.187 Meter) sind wunderbar.

Der Lassen Volcanic Highway führt rd. 30 Meilen durch den Park. Am „Wegesrand“: viele Möglichkeiten. Wir machen den „Devasted Area Loop Trail“, der durch die Steinwüste des letzen Ausbruchs von 1915 führt, außer einem erhabenen Ausblick auf den Lassen Peak für uns aber nicht so viel zu bieten hat.

Kurz hinter dem Lake Helen (Foto!) ist der Trailhead zum „Bumpass Hell“. Den Trail haben wir uns schon zu Hause ausgesucht und ohne ihn wäre der Tag nicht perfekt gewesen.

Es sind wieder gut 5 km zu gehen und die Ausblicke auf die umliegende Vulkanberglandschaft ist überwältigend. Schaut bitte mal: da ist ein Bild mit einer Tafel im Vordergrund, die beschreibt, wie die Aussicht hier vor 250 Millionen Jahren war. Und nun vergleicht die Tafel mit der Aussicht heute: stellt euch vor, es wäre ein Vulkan da, der vom linken Bildrand bis Mitte oben und dann wieder bis zum rechten Bildrand unten reicht. So war es! Der ist nur hochgegangen und sein Ausbruch, Erosion, Wind, Wasser etc. haben ihr übriges getan, um ihn verschwinden zu lassen.

Dann erreichen wir „Bumpass Hell“ - für mich so etwas wie „Mini-Mini-Yellowstone“. Farbintensiv! Ein Boardwalk führt uns an den blubbernden Schlammtöpfen und farbigen (Schwefel - den riecht man hier auch intensiv) Felsen vorbei. So schön, dass hier nicht zu viele Leute rumlaufen.

Abweichen vom Weg: nein - besser nicht. Ein eindrucksvolles Foto (so was plastisches kenne ich sonst nur aus der Zeitschrift „Rettungsdienst“) zeigt, wie dein Fuß aussieht, wenn du vom Weg abweichst, einbrichst, und „gekocht“ wirst. Noch schlimmer: In den 1860ern hat Kendal Bumpass hier als Guide Reportern die Gegend gezeigt. Er ist dabei vor den Augen der Medienvertretern eingebrochen und bei lebendigem Leib verbrüht. Unschön - sehr unschön!

Auch beim letzten Stopp (die letzen 4 Fotos) wird die Naturgewalt deutlich. Hier „kocht“ unmittelbar vor unseren Augen, ein „Mudpod“ (Schlammloch). Und gegenüber noch eines.

Im „Kohm Yah-mah-nee Visitor Center“ (Schneeberg - Name der Ureinwohner dieser Gegend für diese Landschaft) am südlichen Ausgang des National Parks schauen wir uns noch einen der 20-minütigen, sehr eindrucksvollen „Erklärfilme“ an.

Das ist so ein Tag, der mich total begeistert. Er hat mir sehr schöne Wanderungen beschert mit tollen Ausblicken und Möglichkeiten, schöne Fotos zu machen. Er hat mir aber auch gezeigt, wie klein wir Menschen in der Erdgeschichte sind. Eigentlich (und das ist hart) zählen wir: nix!

Die Erde hat ihre Phasen und Gesetze. Sie hat schon alles mögliche mitgemacht und sehr kalte und sehr heiße Zeiten erlebt. Die Erde „denkt“ nicht in Abschnitten wie „100 Jahre“ oder „1.000 Jahre“. Ihre Zeiträume sind länger, viel länger. Und: das Leben hat seinen Weg gefunden. Wir Menschen sind ein Teil davon, aus Sicht der Erde aber nur Beiwerk - so sehe ich das inzwischen.

Ich weiß nicht, wie ihr das seht (oder du,.liebes Tagebuch). Aber ich bin dankbar für jeden Tag, den wir uns hier auf diesem schönen Planeten gestalten können. Was nach uns kommt? Wer weiß?Aber: das Leben findet seinen Weg!

Wir kaufen im Safeway Salat, Wraps und Chicken-Wings und verputzen das auf dem Zimmer. Heute kein Chinese. Super gut: im Safeway kannst du dich kostenlos gegen Grippe impfen lassen und bekommst dann 10% auf deinen Einkauf. So kann man seine Gesellschaft auch immunisieren. Finde ich bemerkenswert und ich habe es mit eigenen Augen gesehen.

Ein schnelles Bier an der Best-Western-Bar, die um 20:00 Uhr schließt. Jetzt ist Feierabend. Nochmal: was mich heute total berührt hat, war die „kochende Erde“ vor meinen Füßen. Die hat hier echt „Druck auf dem Kessel“.


Tagesetappe: 254 Kilometer
Übernachtung: Best Western Plus Hilltop Inn***, 2300 Hilltop Drive, Redding, CA 96002

Rock 'n' River

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Gabi auf dem Misery Ridge Trail, Smith Rock SP, OR

So - frisch ans Werk, der Tag war supercalifragilisticexpialigetisch - ist aber schnell geschrieben:

Nach dem Aufwachen standen zunächst mal die Hausaufgaben an, die gestern nach dem Besuch der Deschutes Brewery nicht mehr von der Hand wollten: Tagebuch schreiben, die Fotos aussuchen, bearbeiten und die Website versorgen. Da war einiges zu tun und das braucht seine Zeit. Ich habe dazu meinen festen Workflow und die tägliche Sicherungskopie aller Daten muss auch noch her.

Gegen 10:00 Uhr brechen wir auf. Ziel: der Smith Rock State Park. Der steht in keinem Reiseführer; auch auf ihn sind wir über YouTube gestoßen. Es ist nur eine verhältnismäßig kurze Fahrt dorthin. Auf dem Hinweg halten wir kurz in Redmond, machen 2 Coffees in den Yeti-Bechern klar und decken uns mit Sandwich, Corn-Dog und Hotdog ein. Letztere verputzen wir auf der Fahrt zum Frühstück, das Sandwich ist für später.

Der Smith Rock SP ist gänzlich unbekannt. Aber gerade das haben wir schätzen gelernt. Die kleinen State-Parks bieten oft für einen ausgefüllten Tag, alles, was man benötigt. Dazu sind sie absolut nicht überlaufen. Klar, man trifft ach hier mal andere Wanderer - aber im Großen und Ganzen sind diese ruhig, entspannt und sehenswert.

Bei der Anfahrt sehen wir - eher unspektakulär - einige Felsentürme aus der Ebene aufragen. Wir stellen das Auto ab und entrichten die übliche Tagesgebühr von 5 $ an einem Automaten. Kreditkarte rein, Ticket aufs Dashboard des Autos- fertig. Der Statepark ist so unbedeutend, dass es weder im Visitor-Büro Bend noch hier vor Ort eine Karte mit den Trails zum Mitnehmen gibt. Ich mache aber ein Foto von der Karte, die aushängt. So haben wir die Übersicht, denn es ist noch nicht klar, was wir konkret machen.

Wir starten auf dem Rim Rock Trail. Es bieten sich sofort atemberaubende Tiefblicke auf den Canyon und den Fluss. Überhaupt: Felsen und der Fluss - das ist das Motto dieses Parks. Beides unglaublich sehenswert und in der Kombination: unschlagbar! Zwischen den Felsen lugt der Mount Jefferson - ein weiterer Vulkan - hervor.

Über den Canyon Trail steigen wir hinab auf die Höhe des Flusses und wandern diesen entlang bis zu einer Brücke, die wir natürlich nutzen, um den Fluss zu überqueren. Und jetzt sticht Gabi der Hafer: auf YouTube waren „stunning views“ versprochen worden - und dazu müssen wir wohl bergauf. Also starten wir auf den „Misery Ridge Trail“ - den „Elenden Wanderweg auf der Kante“.
Dieser ist als „most difficult trail“ gekennzeichnet. Klar: er windet sich in endlosen Serpentinen die steile Wand hinauf. Absicherung: Fehlanzeige - der Trail geht immer am Abgrund entlang. Fehltritte sind verboten.

Die Aussicht, die sich uns bietet, ist aber immer wieder wirklich so, dass einem staunend der Mund offen steht. Hinter jeder Biegung ein neues Highlight. Ich kann nur einige Fotos veröffentlichen, aber die sagen eigentlich alles. Auf dem Gipfel ist Ruh’. Sehr schön und Tiny Little Bear sucht sich einen besonders alten Baum zum Ausruhen aus. Auf dem Abstieg zur anderen Seit eröffnen sich weitere Tiefblicke. Dazu gesellt sich eine gigantische Stele namens „Monkey Face“. Und tatsächlich kann man mit etwas Phantasie einen Affenkopf erkennen. Abstieg über den Mesa Verde Trail.

Dann der River Trail - immer am Fluss entlang. Die Runde schließt sich. Das ist das absolute Outdoor-Mekka hier: die Hälfte der Besucher sind Kletterer - und die hängen in den steilsten Wänden. Vor Klapperschlangen wurde gewarnt. Für mich völlig nachvollziehbar - das ist das optimale Terrain hier für diese Spezies. Gabi sieht es pragmatischer: „Irgendwo müssen die ja wohnen!“. Und am Fuße des „Monkey Face“, auf den natürlich auch diverse Kletterrouten führen, hat der heimische „Alpenverein“ gleich den Rettungskorb und die Krücken platziert - praktische Hilfe für den Fall der Fälle.

Als sich dann die steilen Wände im Fluss spiegeln ist mal wieder „overkitsch“ (Wortschöpfung von Gabi vor Jahren hier im Wilden Westen) angesagt - schaut selbst: ist das nicht unfassbar schön?

Über den Rim Rock Trail kommen wir zurück zum Auto. Unsere Wanderschuhe haben uns wieder sehr gute Dienste geleistet. Bergauf war es echt anstrengend - sehr steile Stufen in der Felswand. Und bergab war es sehr „slippy“ - loose gravel machte den steilen Abstieg nicht leicht. Aber wo es nötig war, gingen wir Hand in Hand und gaben uns gegenseitig Sicherheit. Dann der allerletzte Schritt vom Trail auf den Parkplatz: ich stolpere kurz und lege mich tatsächlich auf Knie und Ellenbogen hin. Wie blöd! Aber außer geringen Schürfwunden ist nix passiert. Gut so!

Wir machen noch ein kurzes Picknick mit unserem Sandwich und müssen aufpassen, dass uns die Böen hier nicht die Wurst vom Brot fegen. Rückfahrt nach Bend: quick and easy!

Wir versorgen die Fotos und beschließen, nochmal in Mel’s Sportsbar zu gehen. Es war einfach zu schön dort am Sonntag. Null touristisch und einfach Teil der Gemeinschaft sein. So ist es auch heute: Mel (w) steht selbst hinter der Theke. Dough (unsere Bedienung von Sonntag) ist heute bei denen, die zuerst Darts, dann Poker spielen. Auf 5 Bildschirmen werden 7 Sportarten übertragen - oder umgekehrt? Wir essen super würzige Chicken Wings und Tater Tods. Dazu gibt es giftiges Dragon-Fruit-Cider für Gabi und Deschutes IPA für mich. Gabi ordert später noch eine Margarita und Mel empfiehlt mir ihr Lieblingsbier: ein IPA von Barley Brown’s. Auf die Frage, wo das den herkommt muss sie einen Gast um Hilfe bitten. Baker City! Oh - da waren wir 2018 und ich habe dort in einer Brewery ein leckeres Bier getrunken - und fotografiert. Alle rollen sich ab: das ist genau das Bier, das ich jetzt im Glas habe! Die Welt ist klein! Die Stimmung in der Sportsbar ist wirklich super: alle haben Spaß und wir sind mittendrin.

Jetzt ist es gut und so ganz kurz ist der Bericht auch nicht geworden. Bin ich vielleicht doch ein Plappermaul? Danke jedenfalls für die zahlreichen positiven Rückmeldungen zu den Fotos und den Berichten. Da macht das alles noch mehr Spaß und ich denke, dass einige zu Hause „mitreisen“. Liebe Grüße!!

Tagesetappe: 92 Kilometer
Übernachtung: Cascade Lodge****, 420 Southeast 3rd Street, Bend, OR 97702

High Skyline Trail

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Jürgen am Reflection Lake, Mount Rainier NP, WA

Upload hat geklappt, hat zwar bis in die Nacht gedauert, war aber stabil. Sehr schön! Die Nächte sind echt erholsam. Heute morgen schieben wir aber nichts auf die lange Bank, denn die Wetterprognose ist zumindest für den Nachmittag unsicher - leichter Regen ist möglich.

Um halb acht klopft es an die Zimmertür: draussen steht unser Frühstückskorb bereit; Kaffee hat Gabi schon gekocht. Das ist wie bei Rotkäppchen hier - aus Corona-Schutzgründen stellen sie das Frühstückskörbchen einfach vor die Tür - Kontakte vermeiden. Den Inhalt haben wir schon letzte Tage online ausgesucht. Es ist ein schnelles Frühstück, denn wir wollen los.

„Another Day in Paradise“ hätte auch das Tagesmotto sein können. Wir sind nämlich wieder in der „Paradise-Area“ unterwegs, der Weg nach „Sunrise“ (ohnehin eine gewaltige Fahrt) ist aktuell gesperrt. Das ist aber ohne Belang, denn Wandermöglichkeiten gibt es hier genug. Früh sind wir am Reflection Lake. Ganz ruhig ist es hier und weil früh morgens auch kein Windchen weht, hat der See seinen Namen bekommen. Der eigentliche Hauptdarsteller, Mount Rainier lässt sich aber erwartungsgemäß heute nicht sehen. Schon die Hinfahrt machte klar, was uns heute erwartet: Nebel - teilweise sehen wir die Hand vor Augen nicht! Wir hängen komplett in den Wolken und dafür hat es am See noch einigermaßen klare Sicht. Wir machen Fotos und den „Schuss des Tages“ macht Gabi mit ihrem iPhone 13. Auch die Entwicklung hat sie auf dem iPhone gemacht. Unfassbar, was technisch mit diesen kleinen Dingern heute möglich ist.

Schaut euch mal im Netz Bilder vom Mount Rainier an; da wird mit Sicherheit eines dabei sein, wo er sich im Reflection Lake spiegelt. So ein Bild hätte ich gerne geschossen heute, aber das Leben ist kein Wunschkonzert. Da der riesengroße Berg heute nicht als Fotomotiv zur Verfügung steht, mache ich mich auch an die kleinen Dinge am Wegesrand heran. Ganz versteckt unter einem Busch sehe ich einen bemalten Stein liegen - Erinnerungen: da ist wohl jemand nur 30 Jahre alt geworden, aber im Herzen immer dabei auf Reisen.

Um diese Uhrzeit ist noch nicht viel los im Nationalpark. Die meisten Besucher haben ja eine weitere Anreise; kaum jemand wohnt so nah wie wir. So begeben wir uns zum Visitor Center. Hier beginnt der Skyline Trail, der uns heute unser Wandererlebnis bescheren soll. Tut er - aber auf ganz besondere Weise. Vorbei am Paradiese Inn geht es zum Trailhead. Dieses interessante Gebäude könnte Hollywood auch für einen Steven-King-Thriller hernehmen. Mystisch kommt es daher.

Nach kurzem Anstieg erreichen wir die Myrtle Falls. Und hier - für vielleicht 5 Minuten - zeigt uns der Vulkan einen ganz kleinen Ausschnitt seiner Gletscherflanke. Wenn ich bedenke, dass er unmittelbar vor uns liegt und uns noch um über 2.000 Meter überragt hätte ich schon gerne mehr gesehen. Aber die Aufnahmen mit Gletscherfetzen im Hintergrund machen sich auch gut. Wir unterhalten uns mit einem Ranger und der rät, eine „Abkürzung“ über den Golden Gate Trail zu nehmen. Das spart eine Stunde Wegzeit - bei dem Wetter eine ausgezeichnete Idee. Wir sind allein unterwegs hier im Nebel. Das hat auch was meditatives. Plötzlich pfeift es vor uns und zwei kleine, zierliche Murmeltiere stellen sich vor. Sie sind wirklich putzig im Vergleich zu ihren fetten Brüdern, die wir später noch treffen, aber nicht fotografieren. Da wir uns Zeit lassen und nicht aufdringlich sind, lassen sie uns erstaunlich nahe an sich heran.

Es geht über Stock und Stein bei Null Sicht immer bergan. Die gut 500 Höhenmeter kommen uns anschließend viel mehr vor - vielleicht weil nicht so viel Aussicht war. Irgendwann erreichen wir wieder den Skyline Trail, es geht aber immer noch mächtig bergauf. Am Panorama-Point gibt es - außer den Nebel des Grauens - ebensowenig zu sehen wie am „Glacier Vista“. Dafür sind die Chipmunks hier sehr aufdringlich. Eines klettert mir fast den Rücken hoch und kriecht anschließend in meine Kamera. So kann man auch an Portraits kommen. 2.146 Meter sind wir hier hoch.

Auf dem weiteren Weg treffen wir noch eine Rangerin und quatschen gemütlich. Dabei erfahren wir noch etwas zu den Lahars - ihr erinnert euch? Die Schlammlawinen von gestern! Diese sind nämlich nicht an vulkanische Aktivitäten allein gebunden. In besonders warmen Sommern schmelzen große Mengen Gletscherwasser in kurzer Zeit und dann kann es zu diesen Schlammlawinen kommen. Daher auch der Hinweis im Zimmer bei uns. Das ist ähnlich wie in den Alpen: Extremwetter birgt reale Gefahren.

Nach gut 3:40 Stunden sind wir wieder am Ausgangspunkt. Gabi ist fix und foxi und muss sich erst mal setzen. Das war es für den Moment; an weitere Touren ist nicht zu denken, wir rollen zurück zum Zimmer. Unterwegs fangen wir noch eine Nudelsuppe und einen Burrito für die Mikrowelle. Nach schnellem Mittagessen ziehe ich die Fotos auf den Mac und dann ist Mittagspause - wir sind schließlich im Urlaub.

Am frühen Abend drehen wir noch eine kleine Runde über den „Tiny Trail“ hinterm Haus. Die haben hier tatsächlich ein kleines Stück Regenwald auf dem großzügig bemessenen Grundstück. Das Abendessen nehmen wir standesgemäß im Basecamp ein. So ein außergewöhnliches Gericht wie das „Chicken Thali“ bekommen wir so schnell nicht wieder. Auch eine Neuerung - zwei Abende hintereinander die gleiche Mahlzeit. Dafür variiere ich beim Bier.

Morgen steht die Fahrt nach Portland auf dem Programm. Je nach Wetter schauen wir nochmal kurz, ob sich der Vulkan sehen lässt. Wenn nicht, liegt mit dem Mount St. Helens ein gleichwertiges Schwergewicht an der Strecke. Mal sehen, was das Wetter sagt. Optional können wir auch Portland mit seinen Microbreweries unsicher machen.

Bis dann - gute Nacht!


Tagesetappe: 68 Kilometer
Übernachtung: Alexander’s Lodge***, 237515 State Road 706 East, Ashford, WA 98304

Himalaya Basecamp

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Jürgen im Wildberry Restaurant, Ashford, WA

Puh, das war ein anstrengender Tag gestern und ich habe geschlafen wie ein Murmeltier. Das Zimmer im Grey Gull inkl. Balkon ist echt klasse - es hat sogar eine Feuerstelle. Leider haben wir nicht so viel davon, weil wir gestern einfach komplett „auf“ waren und heute schon weiter fahren. Wir lassen es aber sehr ruhig angehen, heute morgen und skypen noch mit Vater und Birgit. WIFI ist auch klasse hier.

Gegen 09:00 Uhr geht es dann los - hier ist alles in doppelspurigen Einbahnstraßen mit Grünstreifen dazwischen organisiert. Na gut, Platz haben sie genug - wenige Häuser, viel Fläche. Neben dem Grey Gull sperrt ein Haifisch seinen Rachen auf. Da könnten wir frühstücken gehen, wissen aber nicht, ob wir dann nicht selbst gefrühstückt werden. Also verzichten wir.

Das erste Teilstück der Fahrt ist eher trist. Die Landschaft hat nicht viel zu bieten, das Wetter ist diesig. Es geht nach Osten. Immer wieder rollen Trucks mit Logs, also Baumstämmen, vorbei. Das ist wie gestern. Die haben echt Gewicht zu transportieren. Auf dem Foto ist ein „Kleiner“, die Großen gestern hatten 20-40 Baustämme geladen - oder aber 5 in den entsprechenden Maßen.

Erster Stop: Olympia. Dass dieses Nest die Hauptstadt von Washington ist (und nicht Seattle!) wusste ich vor einigen Wochen auch noch nicht. Aber sie haben ein stattliches Capitol hier - das kann sich sehen lassen. Weil alles eher entspannt aussieht fahren wir noch bis zur Waterfront, parken und strolchen etwas herum. So ein Mittagessen-Frühstück wäre jetzt gut. Heute Morgen hatten wir nur Kaffee und Keks, aber wir sind ja genügsam.

Da kommt die kleine Ansammlung an Food-Trucks gerade recht. Nun gut, die Tische fasst man besser nicht an, aber die Menüs sehen einladend aus und es gibt sogar die von mir so heiß geliebten Burritos beim Mexikaner. Also: ich bestelle einen (zum teilen) mit Chicken, Beef, Pork, Avocado, Beans, Reis und Salsa und lasse den natürlich in zwei Teile teilen. Wir setzen uns an einen der Tische und packen die in Alu gehüllten Hälften aus. Ich bin dabei von uns beiden ja eher der Fingerfood-gewandte Esser. Heute nicht! Meine Hälfte macht - wider aller Gesetze der Schwerkraft - einen doppelten Salto und landet - „flatsch“ - auf dem appetitlichen Tisch. Na super! Jetzt schnell sein: 30 Sekunden-Regel: alles, was weniger als 30 Sekunden Kontakt mit Dreck hat, ist unbedenklich. Ich bin schnell, so unendlich schnell. Gabi wendet sich mit Grausen ab, der Burrito-Schmied spendiert Teller und Servietten zum trockenlegen. Was soll ich sagen - ich lebe noch und lecker war das Teil auch noch.

Um 14:00 Uhr sind wir in der Alexander’s Lodge in Ashford, nur eine Meile vom Eingang zum Mount Rainier NP entfernt. Die Lodge datiert aus dem Jahre 1912 und kommt sehr schnuckelig daher. Leider ist es auch hier sehr bewölkt und bedeckt - es scheint, als habe jemand das Licht ausgemacht heute. Unser Zimmer ist noch nicht fertig und so brechen wir zu einem Abstecher zum Visitor Center in der Paradise-Area auf. Das sind ja nur 20 Meilen bergauf zu fahren. Das Visitor Center liegt auf 1.647 Metern.

Dort angekommen, beraten wir uns mit einem Ranger über das Programm für morgen. Wetterprognose: eher wie heute! Es kann sein, dass wir den Vulkangipfel als Hauptdarsteller dieses Nationalparks gar nicht zu Gesicht bekommen - obwohl wir den ganzen Tag planmäßig an seiner Flanke herumklettern werden. Ideen für ausgiebige Wanderungen haben wir jedenfalls. Wir schauen uns auch noch einen Infofilm über den Mount Rainier an. 4.392 Meter ist der hoch. Beeindruckende Aufnahmen, gute Erklärungen. Es handelt sich hier um einen bildschönen, aber auch aktiven Vulkan. Irgendwann wird er - wie der Mount St. Helens etwas weiter südlich 1980 - ausbrechen. Dann möchten wir nicht in der Nähe sein. Eindrucksvoll sind die Erläuterungen der Folgen: Ein Ausbruch würde neben der Lava auch sog. „Lahare“ (= Mudflows) erzeugen: Massen von geschmolzenem Gletscherwasser, die sich mit Schlamm vermischt ins Tal stürzen, Bäume und alles, was im Weg ist, mitreißen und 100.000enden das Verderben bringen. Gut, dass Gabi gerade im „Guest Directory“ auf dem Zimmer gelesen hat, was wir in solch einem Fall machen müssen: sammeln und auf höheres Terrain führen lassen (Tsunami-Taktik nenne ich das mal). Auf keinen Fall mit dem Auto wegfahren, denn damit flüchtet man bergab und da ist der Lahar immer der Schnellere - sogar schneller als der ultraflinke Burrito-Fänger.

Auf dem Rückweg halten wir bei den Narada Falls an und gehen ein Stück. Sehr schöne Wasserfälle mit der pitoresken Brücke obendran.

Wieder im Motel überlegen wir, wie wir es mit dem Abendessen halten. Zurück nach Ashford mögen wir nicht mehr fahren. Hier gegenüber ist das „Wildberry Restaurant“ - zunächst erkunden wir aber den kleinen Store am Parkeingang. Dort erstehe ich eine Dose Bier für heute Abend und Gabi ein paar Dosen Cider. Die Verkäuferin empfiehlt das „Wildberry“ und so steuern wir es gleich an.

Große Überraschung!! Das Restaurant wirbt draussen mit: „Featuring a taste of two worlds: Traditional Sherpa Himalayan Dishes & American Mountain Menue“. Wir bekommen einen Tisch auf der Terrasse und die Speisenkarte bietet neben interessanten Burgern tatsächlich „Sherpa-Food“. Wir bestellen „Chicken Thali“. Das ist Reis mit einem Hühnchen-Curry, einer Erbsen-Linsensuppe, etwas Rohkost, einem scharfen Möhren-Erbsensalat und einer eingelegten Habanero. Extrem schmackhaft! Das Mac & Jack’s Amber Beer passt ausgezeichnet dazu. Uns fallen die Gebetsfahnen auf, die hier hängen - wie im Basislager auf dem Everest. Und dann kommen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus: innen finden wir eine Figur mit kompletter Everest-Ausstattung sowie weiteren Utensilien aus dem Höhenbergsteigen. Die Urkunden und Zeitungsartikel rundherum beschreiben, dass der Besitzer des Wildberry, Lhakpa Gelu Sherpa (Nepal) 15 Mal (!) als Sherpa mit auf dem Gipfel des Mount Everest war (10 Mal über die Süd- und 5 Mal über die Nordroute). Zudem war er am 26. Mai 2003 mit 10 Stunden, 56 Minuten und 46 Sekunden der schnellste Mensch, der je vom Basislager auf den Gipfel des Mount Everest gestürmt ist. Unfassbar!! Das ist genau das Richtige für mich - interessiere ich mich doch sehr für die Geschichte und Technik zur Besteigung dieses besonderen Berges. Auf dem Gipfel des Mount Rainier war er übrigens schlappe 95 mal.

Und so hatten wir heute nicht nur die erste Akklimatisation am Mount Rainier, sondern auch noch das echte „Basislager-Feeling“ mit authentischem Sherpa-Essen und erstaunlicher Begleitgeschichte. Ich bin begeistert.

Nun habe ich wieder viel mehr geschrieben, als ich wollte. Hoffe, es gefällt euch dennoch. Und jetzt ist Feierabend - mal sehen, ob das WIFI zum Upload reicht - es ist eher schwach auf der Brust, mal sehen.

Gute Nacht wünscht Sherpa Jack MacBaetz.


Tagesetappe: 288 Kilometer
Übernachtung: Alexander’s Lodge***, 237515 State Road 706 East, Ashford, WA 98304

Über den Wolken ...

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Gabi & Jürgen auf dem High Ridge Trail, Olympic NP, WA

… ist die Freiheit grenzenlos und, was noch viel besser ist: es scheint die Sonne. Doch eins nach dem anderen:

Ich habe gestern Abend viel zu viele Fotos ausgesucht für die Website und das hat irgendwie alles ziemlich lange gedauert. Am Ende war ich zu müde, um alles noch hochzuladen. Außerdem war ich noch nicht zufrieden mit der Überschrift und wollte Gabi auch gerne noch Korrektur lesen lassen. So habe ich mich gegen 21:30 Uhr ins Bett gehauen - wohl wissend, dass Gabi, die ja schon seit Stunden schlief, die Nacht irgendwann zum Tag machen würde. Es war aber entspannter als befürchtet: erst gegen 04:00 Uhr wird sie unruhig und ich bitte sie, sich mit meinen Ergebnissen vom Vorabend zu beschäftigen. Macht sie und 45 Minuten später ist die Website online.

Wir versuchen, möglichst zügig wegzukommen aus Seattle, denn wir sind ja extrem früh wach gewesen. Aber da gibt es zunächst ja noch Frühstück und dann wollen wir auschecken - leider mit Hindernissen. Auch der Transport der Koffer vom Zimmer in die Tiefgarage ist nicht so einfach, wenn nur einer von zwei Aufzügen bis ganz unten fährt - aber 6 x der andere die Türen öffnet und sich der eigentlich benötigte Fahrstuhl einfach nicht blicken lässt. Ich bleibe erstaunlich ruhig - was man nicht ändern kann … Nach tatkräftiger Unterstützung aus der Heimat (danke an Olaf von der Volksbank - die sind echt auf Zack, merken, dass meine Kreditkarte am anderen Ende der Welt verwendet wird und sperren sie vorsichtshalber mal - geben sie aber ebenso schnell wieder frei) rollen wir gen Norden. Das Navi schickt uns Schleichwege. Die sind wirklich schön anzusehen und setzen uns noch mehr in den Urlaubsmodus.

An der Fähre Edmonds - Kingston kommen wir dann genau passend an. Wir müssen nicht lange warten, verfrachten unseren Nissan an Bord, verbringen die Überfahrt recht zugig an der frischen Luft und sind dann auch wirklich ländlich unterwegs. Aus dem Radio ertönt Country-Musik und wir sind definitiv angekommen im Chill-Modus.

Das Safeway in Kingston hatten wir zu Hause schon ausgesucht. Google-Maps sei Dank! Hier erledigen wir unseren ersten Einkauf. Mengen von Wasser, ein paar Chips, Obst, Wein, Nüsse, Müsliriegel für den Notfall und ähnliches wandern in den Einkaufswagen. Die Preise haben auch hier nochmal angezogen und angesichts des Umtauschkurses von quasi 1:1 ist das alles andere als lustig. Gut, dass wir unseren „Mitgliedsausweis“ von Safeway aus dem Jahre 2011 dabei haben. So sparen wir immerhin gut 11 $ auf den Einkauf.

Um 12:30 sind wir am Motel in Port Angeles, können sofort einchecken, packen die Koffer aufs Zimmer und ziehen uns um. Wie gestern Mittag ist es auch heute diesig. Warm zwar, aber eben sehr bedeckt. Unser nächstes Ziel ist das Visitor Center des Olympic National Park an der Hurrican Ridge Road. Vorstellen könnten wir uns, den Nachmittag oben auf der Hurrican Ridge zu verbringen. Die heißt so, weil dort regelmäßig äußerst heftige Winde wehen. Als wir 2018 hier waren, lag oben Schnee und es war bitterkalt. So hatten wir uns zumindest schon mal für lange Hosen entschieden.

Aber oh Wunder: die Rangerin im Visitor Center sagt, oben sei es heute echt schön. Und: Recht hat sie! Sie gibt uns einige Tipps für Wanderungen und wir beraten uns intensiv zum morgigen Tag - neben den bereits von uns ausgesuchten Dingen hat sie viele Tipps parat. Klasse!

Über unzählige Serpentinen fahre ich uns von quasi Null auf 1.594 Meter hoch. Dabei durchbrechen wir die Wolkendecke und siehe da: oben ist es total sonnig, es gibt blauen Himmel vom Feinsten und warm ist es zusätzlich noch.

Zu Beginn begeben wir uns auf den Cirque Rim Trail, den wir schon kennen. Schöne Aussichten und Tiefblicke bilden ein fantastisches Panorama. Nur das Atmen fällt hier etwas schwerer, besonders beim bergauf schnaufen. Wir biegen um eine Ecke - da steht ein Mule Deer, ganz nah. Wir pirschen uns heran und es gelingen ein paar schöne Bilder von dem vorsichtigen, aber nicht allzu schreckhaften Tier.

Der High Ridge Trail geht noch steiler bergan und wir hecheln ein wenig den Berg hinauf. Dafür bieten sich tolle Ausblicke auf die Olympic Mountains und die unter uns liegenden Wolkenfelder. Mit dem Auto fahren wir noch einige Meilen weiter und nehmen dann den Hurrican Hill Trail unter die Sohlen. Der Weg ist asphaltiert, aber z.T. sehr, sehr steil. Ein junger Mann schiebt einen Kinderwagen hinauf, andere Eltern kommen uns mit Säuglingen vor der Brust oder Kleinkindern im Tragegestell entgegen. Respekt!

Wir genießen die Sonne und die frische Luft, sparen uns aber dann den letzten Aufstieg über ein weiteres steiles Wegstück völlig ohne Schatten. Wir sind ja erst am Anfang des Urlaubs und müssen es nicht zwingen. Gegen 17:00 Uhr sind wir wieder am Zimmer und machen uns über die Fotos her. Danach fahre ich noch einmal kurz um den Block und besorge uns eine Meatzza bei Dominos. Tolle Pizza mit fleischhaltiger Auflage. Saulecker!! Anschließend schreibe ich dieses Tagebuch und jetzt ist gleich Feierabend. Immerhin fast 1,5 Stunden früher als gestern. Nur hochladen kann ich die Website heute nicht mehr. Was sich hier W-LAN nennt, hat mit Internert nichts zu tun.

Und so kehre ich noch einmal zurück zum guten, alten Reinhard aus der Familie Mey:

„Über den Wolken - muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.
Alle Ängste, alle Sorgen - sagt man,
blieben darunter verborgen und dann
würde, was uns groß und wichtig erscheint,
plötzlich nichtig und klein!“

Nehmt diese Worte mit in eure nächste Nacht - süße Träume von der Welt „über den Wolken“ wünsche ich euch! Bis morgen!! Schlaft so gut wie wir!

Tagesetappe: 214 Kilometer
Übernachtung: Aircrest Motel**, 1006 East Front Street, Port Angeles, WA 98362

© 2022 Gabi & Jürgen